© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ich bin zwei Staatsbürger
Lion Edler

Anfang Juni startete das rot-grün regierte Baden-Württemberg einen neuen Anlauf für die doppelte Staatsbürgerschaft. Noch im Juli soll der Bundesrat über eine entsprechende Initiative abstimmen. Die Chancen stehen angesichts der Mehrheitsverhältnisse gut. Anders sieht es dagegen im Bundestag aus. Dort stimmte die schwarz-gelbe Mehrheit erst kürzlich gegen entsprechende Anträge von SPD, Grünen und Linkspartei, die allesamt zum Ziel hatten, das Optionsmodell zu kippen und den Doppelpaß zur Regel zu machen.

Ein Vorhaben, das auch bei den Liberalen auf Unterstützung stößt. Das zeigte jetzt auch eine Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung über den Doppelpaß. Der liberale Bundestagsabgeordnete Serkan Tören kündigte an, daß seine Partei im Bundestagswahlkampf für die doppelte Staatsbürgerschaft werben werde. Schließlich hätten sich ohnehin 51 Prozent der 2011 erfolgten rund 107.000 Einbürgerungen „unter Inkaufnahme der doppelten Staatsbürgerschaft“ vollzogen. Der Doppelpaß könne zu einer schnelleren Integration führen, glaubt Tören.

Dem widersprach der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer, der bei den Zuhörern einen schweren Stand hatte. Nach Mayers Auffassung dürfe die Mehrstaatlichkeit auch weiterhin nur die Ausnahme sein, zumal die bisherigen Erfahrungen mit dem Optionsmodell, bei dem sich die Einwanderer zwischen ihrem 18. und 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen, „nicht so schlecht“ seien. Rund 88 Prozent der betreffenden Personen hätten sich 2012 für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden und damit auf den Paß ihres Herkunftslandes verzichtet.

Der Präsident der türkischen Gemeinde in Berlin, Bekir Yilmaz, ließ sich dennoch nicht überzeugen. Sein Sohn, so Yilmaz, wehre sich dagegen, nur die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Viele türkischstämmige Bürger wollten sich „nicht in irgendwelche Schubladen stecken lassen“. Da inzwischen rund 20 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hätten, sei Mayers Position „nicht mehr zeitgemäß.“ Auch der türkische Generalkonsul in Berlin, Ahmet Başar Şen, warb für den Doppelpaß, da die türkische Staatsbürgerschaft von vielen Türkischstämmigen als „Teil ihrer Identität“ empfunden werde.

Ausführlich wurde die Frage möglicher Loyalitätskonflikte bei den Betroffenen diskutiert. Man müsse ihm einmal erklären, worin diese bestehen sollten und worin eine Benachteiligung von Personen mit nur einem Paß liege, sagte Tören. Mayer half ihm auf die Sprünge. Die doppelte Staatsbürgerschaft führe zu einer „gewissen Privilegierung“, da die Betroffenen das Wahlrecht zugleich in Deutschland und der Türkei hätten. Zudem könne man mit einem Doppelpaß auch Sozialleistungen in beiden Ländern beziehen. Mayer verwies auch auf den Fall Jonny K., der auf dem Berliner Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde. Der Hauptverdächtige dieses Falls sei ein Doppelstaatler, der sich nach der Tat in die Türkei abgesetzt hatte.

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