© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Grüße aus Madrid
Liebesgrüße per Post
Michael Ludwig

Mal Hand aufs Herz, lieber Leser – ist es Ihnen nicht auch schon mal so ergangen, daß Sie empört vor sich hingeschimpft haben, wenn Sie wieder einmal in die übelriechende Hinterlassenschaft eines Vierbeiners getreten sind? Am liebsten hätten Sie sich sofort wegen mangelnder Aufsichtspflicht beim Herrchen oder Frauchen des Übeltäters beschwert. Aber was tun, wenn keiner der beiden in Sichtweite ist?

Würden Sie im Spanischen Brunete wohnen, einer kleinen Gemeinde vor den Toren von Madrid, dann könnte Ihnen so etwas kaum passieren, denn Brunete gilt als die einzige nahezu „caca“-freie Zone des Landes.

Viele Jahre hatte man dort mit dem gleichen Problem wie auch anderswo zu kämpfen. Eine großangelegte PR-Aktion, die Straßen und Parks rückständefrei zu machen, schlug fehl. Kaum einer der Hundebesitzer fühlte sich angesprochen. Doch dann kam der Gemeinderat auf eine höchst ungewöhnliche Idee. Man suchte sich eine Reihe von Freiwilligen, die zur Tages- und Abendzeit ausschwärmten und die Hunde, die spazierengeführt wurden, genau im Auge behielten.

Erledigte ein Vierbeiner sein Geschäft und tat sein Besitzer nicht das, was er tun sollte, nämlich mit einem Plastiksäckchen das Häufchen zu entsorgen, sprachen sie ihn an. Keinesfalls unfreundlich, sondern ausgesprochen nett. Man erkundigte sich nach dem Namen des Vierbeiners und der Rasse, geizte nicht mit Komplimenten.

Nachdem Herrchen und Hund wieder verschwunden waren, verschlossen die Freiwilligen das Häufchen in einer Tüte, die sie in ein Kuvert steckten. Dann riefen sie bei der Stadtverwaltung an, nannten Name und Rasse des Tieres, die dort in einer Datenbank gespeichert sind – und natürlich auch der Name und die Adresse des Halters. Noch am gleichen Tag, spätestens aber am nächsten ging die Post ab. Die Empfänger erreichte ein amtliches Schreiben, daß das ordnungswidrige Verhalten beim nächstenmal mit einer Geldstrafe zwischen 30 und 300 Euro belegt werde. Es ist nicht bekannt, wie die Empfänger auf diese ungewöhnliche Sendung reagiert haben, aber sie dürften ziemlich überrascht und reichlich beschämt gewesen sein.

In der spanischen Presse hat diese Vorgehensweise schon eine feste Bezeichnung – „caca express“. Sie ist sehr erfolgreich. Die Zahl der Häufchen hat sich um rund siebzig Prozent verringert.

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