© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Hoffen auf ein besseres Leben
Iran: Mit der Wahl des gemäßigten Kandidaten Hassan Rohani zeigen die Iraner Mut zur Veränderung
Günther Deschner

Wegen der handverlesenen Selektion der Kandidaten durch ein Gremium des Revolutionsführers Ali Khamenei erschien die Präsidentschaftswahl im Vorfeld als undemokratische Farce.

Dennoch haben die 55 Millionen wahlberechtigten Iraner gleich den ersten Wahlgang spektakulär genutzt: Mit der absoluten Mehrheit von 50,7 Prozent machten sie den 64jährigen gemäßigten und den Reformern nahestehenden Kleriker, Juristen und Diplomaten Hassan Rohani auf Anhieb zum Präsidenten. Im August wird er die Nachfolge von Mahmud Ahmadinedschad antreten.

Mit seiner Kritik an der Überwachung von Presse, Internet und Universitäten sowie dem Versprechen, die Diskriminierung der Frauen zu bekämpfen, entwickelte sich Rohani zum Hoffnungsträger der gebildeten urbanen Mittelschicht.

Im Wahlkampf wurde Rohani von prominenten Reformern, wie den früheren Präsidenten Mohammad Khatami und Haschemi Rafsandschani, unterstützt, gehört selbst aber nicht explizit der Reformbewegung an. Ein grundlegender Kurs- oder gar Systemwechsel ist von ihm daher nicht zu erwarten. Er ginge vor allem an den Realitäten des Staatsaufbaus der Iranischen Republik vorbei.

Die Iraner haben mit ihrer per Stimmzettel überreichten Botschaft an die Oberste Führung der Islamischen Republik einiges deutlich gemacht: Sie wollen nicht weiter hinnehmen, daß ihre Lebensbedingungen sich immer weiter verschlechtern. Für explodierende Preise, steigende Arbeitslosigkeit, Benzinknappheit, für den Verfall der nationalen Währung (Rial), die Einschränkung der Meinungsfreiheit machen sie nicht nur die verfehlte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Clique um den scheidenden Präsidenten Ahmadinedschad verantwortlich, sondern sie sehen auch, daß dessen aggressive Außenpolitik, für die im Kandidatenfeld vor allem der derzeitige Atomunterhändler Said Dschalili stand, dem Land und zugleich ihren ganz persönlichen Interessen schadet.

All dies griff Rohani in seinen Wahlkampfreden auf. Offen kritisierte er auch die Atompolitik von Ahmadinedschad: „Diplomatische Verhandlung ist eine Kunst und nicht jedermanns Sache“, sagte er. Die Nuklearverhandlungen dürften nicht so geführt werden, daß das Land immer tiefer in eine politische und wirtschaftliche Krise gerate: „Wenn der Präsident unseres Landes UN-Resolutionen als unwichtige Papierschnipsel bezeichnet und finanzielle Sanktionen kleinredet, darf man sich auch nicht über die jetzige Lage wundern, wo das nationale Geld nur noch die Hälfte wert ist“, so Rohani. „Unser Land sollte mit Besonnenheit und Hoffnung geführt werden und nicht mit Paranoia und einer Hetzrhetorik, die uns an den Rand eines Krieges gebracht hat.“

Mit ihrem Votum haben die Iraner nicht unbedingt gegen das international umstrittene Atomprogramm an sich gestimmt, auch nicht gegen die iranische Unterstützung Assads im syrischen Bürgerkrieg. Aber zumindest stimmten sie für einen Kandidaten, der, entsprechend seinen Wahlkampfaussagen und seinen bisherigen politischen Aktivitäten, die Diplomatie der Konfrontation vorzieht und eine Annäherung mit dem Westen einleiten könnte, soweit der Oberste Führer Ali Khamenei – und „der Westen“ – dies zulassen (siehe Kommentar Seite 2).

Rohani jedenfalls hat den Ruf, auf Pragmatismus zu setzen und bereit zu sein, Kompromisse einzugehen. In den Jahren von 2003 bis 2005 war der diplomatisch gewandte Rohani, der neben Persisch auch Arabisch, Englisch, Russisch, Deutsch und Französisch spricht, Irans Chefunterhändler im Atomstreit und stimmte einem Anreicherungsstopp zu, doch Washington lehnte damals ab. Nach Ahmadinedschads Amtsantritt als Präsident im August 2005 gab Rohani seinen Posten auf.

Jetzt, nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl, will er in den Beziehungen Irans zum Westen erneut auf Pragmatismus und geschickte Diplomatie setzen. Von Rohani könnten neue Impulse ausgehen für den festgefahrenen Atomstreit, wenn die internationale Gemeinschaft sich auf ihn einläßt. „Ich freue mich, daß im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft und der Mäßigung scheint“, formulierte er nach seinem Wahlsieg. „Und ich werde zu dem stehen, was ich dem iranischen Volk versprochen habe, und werde nicht damit aufhören, bis es erreicht ist.“ Er hoffe, daß der Westen jetzt eine neue Haltung zum Iran einnehmen werde und zwar auf der Grundlage von Fairneß und gegenseitigem Respekt. Damit wird er bei einigen, doch sicher nicht bei allen rechnen dürfen.

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