© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Die Büchse der Pandora geöffnet
Finanzpolitik: Die geplanten rot-grünen Steuererhöhungen treffen vor allem den deutschen Mittelstand / Abwanderung ins Ausland würde verstärkt
Markus Brandstetter

Jean-Baptiste Colbert, der Finanzminister Ludwigs XIV., hat die Steuerpolitik einmal so definiert: „Steuern erheben, das ist die Kunst, die Gans so zu rupfen, daß sie möglichst viele Federn läßt bei möglichst wenig Geschrei.“ Kein moderner Finanzminister würde heute noch so reden, aber in der Sache hat sich an Colberts Aussage nichts geändert. Das Ziel der Steuerpolitik ist es nach wie vor, so viele Steuern wie möglich zu erheben, ohne daß der Bürger kapituliert und irgendwann jene Parteien, die immer mehr von einem Einkommen verlangen, nicht mehr wählt.

Der deutsche Staat hat seit Jahrzehnten einen unstillbaren Hunger nach Geld. Und da das Steueraufkommen die Ausgaben selten deckte, giert er nach Krediten, die über Steuern bedient werden. Deutschland hat fast Vollbeschäftigung, die Wirtschaft brummt wie seit langem nicht mehr, und trotzdem sind die Haushalte nicht ausgeglichen. Es werden neue Schulden gemacht. Die Staatsverschuldung hat sich von 56 Prozent des Bruttosozialprodukts im Jahr 1995 auf 82 Prozent erhöht, ohne Aussicht, jemals wieder deutlich zu sinken.

Dies sind die offensichtlichsten Gründe für die stetig steigende Steuerbelastung, aber es gibt noch andere, über die niemand redet, würde er doch an eines der ganz großen Tabus des modernen Staates überhaupt rühren: Die Steuerpolitik ist der Maschinenraum des Sozialstaates, die Umverteilungszentrale, die tief unten im Staatsschiff liegt, da, wo keiner der Passagiere jemals hinkommt und das auch gar nicht soll, weil er sonst nämlich erfahren würde, was die Welt im Innersten zusammenhält. Die Aufgabe der Steuerpolitik ist es, möglichst viel Geld auf möglichst viele und absolut unüberblickbare Arten einzusammeln, um es dann hinter den Kulissen so hin- und herschieben, wie es der Regierung nützlich ist. So kann Vermögen umverteilt werden, können Subventionen gelenkt, Spanien und Griechenland gerettet und Flutopfer alimentiert werden.

Wer nun glaubt, daß die Steuerlast unter der CDU/FDP-Koalition bereits hoch sei, der sollte sich anschauen, was die Oppositionsparteien in ihren Regierungsprogrammen für die Bundestagswahl im Herbst vorbereitet haben. Eine erste Analyse hat nun die Stuttgarter Stiftung Familienunternehmen vorgelegt. Die Interessenvertretung der eigentümergeführten Mittelständler hat das renommierte Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim damit beauftragt, die Steuerpläne der Opposition in puncto Substanzsteuern unter die Lupe zu nehmen. Beispiele dafür sind die Grundsteuer, die Erbschaft- und die Schenkungsteuer, die Kfz-Steuer und die 1997 abgeschaffte Vermögenssteuer.

Herausgekommen ist ein Horrorszenario, das so aussieht: Die Steuerpläne von SPD, Grünen und insbesondere der Linken würden weder zu einer gerechteren Verteilung der Vermögen führen noch beim Abbau der Staatsschulden helfen. Dafür würden Eigenkapital und Einkommen vieler mittelständischer Betriebe verringert, was in Krisenzeiten zu einer Pleitewelle führen könnte. Firmen aus dem Ausland würden in Deutschland entweder gar nicht mehr investieren oder ihre Investitionen herunterfahren, weil Deutschland dann das EU-Land mit der höchsten Unternehmensbesteuerung überhaupt wäre. Leute mit Besitz, Kapital, Know-how und Engagement würden Deutschland entweder in Scharen verlassen oder sich hier gar nicht erst engagieren, weil ihnen die Früchte ihrer Arbeit, ihres Könnens und ihres Vermögens wegbesteuert würden.

An einer Fülle von Beispielen zeigt das Autorenkollektiv unter der Leitung des Mannheimer Professors Christoph Spengel, wie ungerecht, unvernünftig und in einem sozialistischen Sinne konfiskatorisch die Pläne der derzeitigen Oppositionsparteien sind.

Das beginnt mit der Vermögensteuer. SPD und Linke wollen diese weltweit nicht unübliche, aber hoch umstrittene Steuer wiederbeleben. Die Grünen kündigen an, dem Bürger eine einmalige Vermögensabgabe nach dem Vorbild Frankreichs aufzuerlegen – und dies, obwohl in Deutschland Erbschaften und Schenkungen im OECD-Vergleich schon überdurchschnittlich hoch besteuert werden.

Die wahre Büchse der Pandora öffnete sich jedoch beim Thema Unternehmensbesteuerung. Ginge es nach der SPD, dann stiege die Gesamtsteuerbelastung für eine Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) um 20 Prozent, bei den Grünen stiege sie um 36 Prozent und bei der Linken gleich um 127 Prozent. Bei Personalgesellschaften wäre es noch schlimmer: Da will die SPD die Gesamtsteuerbelastung um 24 Prozent erhöhen, die Grünen sind mit 40 Prozent dabei, und die Linke ist wieder fürs Verdoppeln.

Würden die drei derzeitigen Oppositionsparteien ab Herbst regieren und ihre Steuerpläne tatsächlich durchsetzen, dann würde Deutschland von allen 27 EU-Staaten in puncto Unternehmensbesteuerung zum mit Abstand unattraktivsten Standort. Die Folgen wären verheerend: Mittelständler würden ihre Heimat haufenweise verlassen oder Unternehmensteile, wo es geht, ins Ausland verlegen. Kapitalkräftige Investoren aus Asien oder den USA würden sich ebenfalls kaum noch für Deutschland entscheiden. Unterm Strich würde das Steueraufkommen nach einem rot-rot-grünen Wahlerfolg dann nicht steigen, sondern sinken – ein klassisches Eigentor. Das hätte auch der royale Franzose Colbert ganz sicher nicht gewollt. Der Begründer des Merkantilismus wußte, daß die Gans am Leben bleiben muß, wenn sie weiter Federn geben soll.

 

Wahlkampf mit Steuererhöhungen

„Merkelsteuer, das wird teuer“, plakatierte die SPD im Bundestagswahlkampf 2005. Die CDU hatte zuvor eine Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 18 Prozent angekündigt. Die große Koalition setzte dann 19 Prozent durch. Die FDP versprach 2009 Steuersenkungen – 2010 folgte der Sinneswandel. Und die „alternativlosen“ Milliardenzahlungen und Haftungen zur Euro-Rettung haben das angekündigte „prinzipielle Neuverschuldungsverbot“ ad absurdum geführt. Daß die Steuererhöhungspläne von SPD, Grünen und Linken genauso umgesetzt werden, wie sie in den Wahlprogrammen stehen, ist ebenfalls nicht zu erwarten – doch die Richtung ist klar. Die Studie für die Stiftung Familienunternehmen analysiert die Folgen der rot-rot-grünen Substanzbesteuerung. Der Vorwurf der Generierung „zusätzlicher Steuereinnahmen zum Schuldenabbau und der Wunsch nach mehr Umverteilung“ ist aber für alle Bundestagsparteien zutreffend.

„Die Folgen von Substanzsteuern für Familienunternehmen, Staat und Gesellschaft“: www.familienunternehmen.de

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