© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Neustart ohne die Zone
Die Einführung der D-Mark in den Westsektoren Berlins vor 65 Jahren leitete die sowjetische Blockade ein
MatThias Bath

Im Frühjahr 1948 spitzten sich die Gegensätze zwischen den Besatzungsmächten in Deutschland zu. Am 20. März beendete die Sowjetunion ihre Mitarbeit im Alliierten Kontrollrat, womit sich die bevorstehende Teilung des Landes abzeichnete. Schon seit Jahresbeginn hatten die Sowjets zudem mit Behinderungen des Zugangsverkehrs von und nach Berlin begonnen. Am 16. Juni verließen sie schließlich auch die Alliierte Kommandantur für Berlin, womit dieses Gremium seine Arbeit für Gesamt-Berlin einstellte.

Am Freitag, dem 18. Juni 1948, teilten die Westalliierten die bevorstehende Währungsreform in ihren Besatzungszonen zum 20. Juni mit. Zugleich gaben die westlichen Stadtkommandanten in Berlin bekannt, die Währungsreform erstrecke sich nicht auf Berlin. Hier gelte weiterhin die alte Reichsmark. Am 19. Juni verboten die Sowjets den Umlauf der neuen, westlichen Deutschen Mark in ihrer Besatzungszone und dem Gebiet von Groß-Berlin. Zugleich wurde „zum Schutz der Wirtschaft der sowjetischen Zone“ der gesamte Kraftfahrzeugverkehr zwischen den Westzonen und Berlin unterbunden.

Am 23. Juni 1948 ordneten die Sowjets eine Währungsreform für ihre Besatzungszone an. Hier und im Gebiet von Groß-Berlin sollten ab dem 24. Juni nur noch Reichsmarkscheine mit aufgeklebten sowjetzonalen Währungskupons gelten. Bereits in der Nacht zum 23. Juni hatte der Berliner Magistrat die Anweisung erhalten, die sowjetzonale Währungsreform in ganz Berlin durchzuführen. Die westlichen Stadtkommandanten teilten dem Magistrat jedoch umgehend mit, daß diese Anweisung in den Westsektoren keine Gültigkeit habe, und verboten schließlich in den Mittagsstunden des 23. Juni ausdrücklich die Ausführung der sowjetischen Befehle. Gleichzeitig kündigten sie die Einführung einer neuen Währung für ihre Sektoren an, die in den Westzonen bereits gültig sei.

Der Magistrat von Berlin beschloß daraufhin eine Erklärung über die Einführung zweier getrennter Währungen in Berlin, die am Nachmittag vor der Stadtverordnetenversammlung abgegeben wurde. Diese für 16 Uhr einberufene Sitzung konnte erst mit großer Verzögerung beginnen, weil zunächst einige hundert kommunistische Störer gewaltsam in das Neue Stadthaus eindrangen und den Plenarsaal der Stadtverordnetenversammlung besetzt hielten.

Sie verlangten eine einheitliche Währung für Berlin und verließen erst nach der Ansprache eines SED-Stadtverordneten unter dem Absingen der Internationale das Gebäude. In der Sitzung stellte Bürgermeister Ferdinand Friedensburg die entstandene Lage dar. Aufgrund der einander widersprechenden alliierten Befehle müsse der Magistrat die Bezirksbürgermeister anweisen, die Anordnungen der jeweiligen Sektorenkommandanten zu befolgen.

Gegen die Stimmen der SED sprachen die Stadtverordneten daraufhin dem Magistrat das Vertrauen aus und forderten die Gültigkeit beider Währungen für ganz Berlin. Nach der Sitzung griffen vor dem Stadthaus wartende kommunistische Gewalttäter unter Führung des späteren DDR-Verteidigungsministers Heinz Keßler einzelne Stadtverordnete von SPD, CDU und LDP tätlich an. Unter anderem wurden die 60jährige SPD-Stadtverordnete Jeanette Wolff, die sechs Jahre in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager überlebt hatte, und Bürgermeister Friedensburg angegriffen. In der Nacht zum 24. Juni unterbrachen die Sowjets „wegen technischer Störungen“ die Bahnstrecke Berlin-Helmstedt in beide Richtungen. Damit waren die Berliner Westsektoren von jeglicher Verbindung mit den Westzonen auf dem Landweg abgeschnitten.

Am 24. Juni ordneten die Westmächte die Einführung der Deutschen Mark zum 25. Juni auch für die Berliner Westsektoren an. Die Geldscheine wurden hier allerdings mit einem aufgestempelten „B“ gekennzeichnet. Die im Ostsektor gültige Währung wurde als Umlaufmittel auch in den Westsektoren anerkannt. Die sowjetische Zeitung Tägliche Rundschau betonte in ihrem Leitartikel vom Tage, daß nach dem Wegfall der Viermächteverwaltung für Deutschland auch keine Grundlage mehr für die Anwesenheit der Westalliierten in Berlin gegeben sei.

Am Abend versammelten sich dann, dem Aufruf der Berliner SPD folgend, 70.000 Menschen auf dem Hertha-Sportplatz am Weddinger Gesundbrunnen. Als Hauptredner wies der von den Sowjets als Oberbürgermeister blockierte Ernst Reuter daraufhin, daß der Währungskonflikt keine finanzpolitische Frage sei, sondern der Ausdruck des Kampfes zweier gegensätzlicher politischer und wirtschaftlicher Systeme, der in Berlin ausgetragen werde. Der SPD-Landesvorsitzende Franz Neumann betonte in einem Appell, daß die Freiheit und das Überleben Berlins jetzt von der aktiven Unterstützung der freien Welt abhingen. Bereits am 25. Juni 1948 landeten auf dem Flughafen Tempelhof die ersten amerikanischen Transportmaschinen mit Lebensmitteln. Die westalliierte Luftbrücke zur Versorgung der Berliner Westsektoren war angelaufen.

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