© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Umwelt
Atomare Preisfrage
Michael Manns

Spätestens seit der Tschernobyl-Katastrophe ist die Atomkraft in Deutschland des Teufels. Wer sich damit beschäftigt, gilt manchem Ökofundi sogar charakterlich minderwertig. Das Berliner Institut für Festkörper-Kernphysik (IFK) entwickelte dennoch ein interessantes Konzept: den Dual Fluid Reaktor. Der DFR soll nicht nur sicher arbeiten, sondern sogar aus Atommüll Energie erzeugen – die Endlagerfrage wäre damit entschärft. Der Reaktor ist patentiert und von der Atomenergiebehörde IAEO begutachtet worden, er gewann den Galileo-Wissenspreis. Feine Sache, und damit reif für einen der hochrangigsten Preise, mit dem Umwelttechnologien gefördert werden: dem Green Tec Award, Schirmherr ist CDU-Ener­giewendeminister Peter Altmaier.

Das IFK bekam ein Glückwunschschreiben und eine Einladung zur Preisverleihung. Dann kam am 7. Juni eine neue Nachricht: Die Idee wurde vom Wettbewerb ausgeschlossen. Außerdem, so klagt das IFK, wurden Wettbewerbsregeln nachträglich geändert. Man merke: Atommüll, Endlager – das sind böse Reizwörter, die die reinen Seelen der grünen Tugendwächter beschmutzen. Aber es gibt Unterstützer. Sie sprechen von Abstimmungsfarce und Manipulation. Ein Argument, das der guten Idee entgegengeschleudert wurde, ist von besonderer Perfidie: 19.000 Tote habe es bei der Kernschmelze in Fukushima gegeben – doch in Wirklichkeit wurden sie Opfer des Tsunamis. Wenn die Fakten nicht zum Weltbild passen wollen – um so schlechter für die Fakten. Unsere Gutmenschen verbieten vor lauter Verträglichkeit, Ausgewogenheit, Nachhaltigkeit und universaler Schonung alles Seienden uns irgendwann noch das Küchenmesser – schließlich ein Mordinstrument. Für (sichere) Atomkraftwerke zu plädieren fällt nicht mehr unter Meinungsfreiheit. Wer sich dafür einsetzt, begeht offenbar eine Art Verbrechen.

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