© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Im Eiltempo an die Wahlurne
Mit einem beispiellosen Kraftakt ist es den Euro-Kritikern um Bernd Lucke gelungen, gegen alle Widerstände die Partei „Alternative für Deutschland“ aus dem Boden zu stampfen
(JF)

Einen solchen Blitzstart hat die deutsche Parteienlandschaft noch nicht gesehen. Wenn am Freitag kommender Woche der Bundeswahlausschuß die „Alternative für Deutschland“ zur Bundestagswahl zulassen sollte, sind seit der Gründung gerade einmal fünf Monate  vergangen. In dieser Zeit wurden nicht nur sechzehn Landesverbände und die Bundesorganisation aus dem Boden gestampft, sondern auch Dutzende Kreisverbände gegründet und Kandidaten für die Bundestagswahl am 22. September nominiert. Die mittlerweile 13.000 Mitglieder sammelten zudem bereits den Großteil der notwendigen Unterstützungsunterschriften.

Daß die Gründungsphase nicht immer geräuschlos abgelaufen ist, zeigen die zahlreichen Streitigkeiten in den Landesverbänden. Diese konnten jedoch zumeist von dem kreuz und quer durch Deutschland reisenden AfD-Sprecher Bernd Lucke mit einem Appell an die Geschlossenheit der Euro-Kritiker entschärft werden. Doch in Bayern haben die Auseinanderseztungen nun unangenehme Konsequenzen: Nachdem zahlreiche AfD-Mitglieder beim Landeswahlleiter gegen die Aufstellung der Landesliste protestiert hatten, empfahl dieser der Partei, die Nominierung zu wiederholen. Damit müssen in Bayern auch alle Unterstützungsunterschriften neu gesammelt werden.

Dennoch: Sollte die Partei die letzten Hürden auf dem Weg zum 22. September nehmen, gilt es unter Experten nicht als ausgeschlossen, daß die Formation den sensationellen Sprung über die Fünfprozenthürde tatsächlich schaffen könnte. Das zeigen sowohl die gereizten Äußerungen der etablierten Parteien als auch die Umfragen. Seit Wochen schon ist die AfD aus dem Ghetto der „sonstigen Parteien“ ausgebrochen und wird gesondert aufgeführt. Ein kleiner, aber vielleicht entscheidender Erfolg. 


 

Wahlprogramm

Kernforderung der Alternative für Deutschland im Wahlkampf ist die geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. „Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“ Stattdessen plädiert die Partei dafür, nationale Währungen einzuführen oder kleinere und stabilere Währungsverbünde zu schaffen. „Die Wiedereinführung der D-Mark darf kein Tabu sein“, heißt es dazu im Wahlprogramm. Um dies zu erreichen, fordert die Partei, die Europäischen Verträge zu ändern, damit jedem Staat ein Ausscheiden aus dem Euro ermöglicht wird.

In der Europapolitik will sich die AfD dafür einsetzen, daß Gesetzgebungskompetenzen zurück zu den nationalen Parlamenten verlagert werden. „Wir werden uns für eine Reform der EU stark machen, um die Brüsseler Bürokratie abzubauen und Transparenz und Bürgernähe zu fördern“, heißt es im Programm.

Zudem hat sich die AfD auf die Fahnen geschrieben, die direkte Demokratie und die Bürgerrechte zu stärken. „Wir wollen Volksabstimmungen und Initiativen nach Schweizer Vorbild einführen. Das gilt insbesondere für die Abtretung wichtiger Befugnisse an die EU“, heißt es dazu im Wahlprogramm. Kritisch setzt sich die Partei mit der  Political Correctness auseinander: „Wir setzen uns dafür ein, daß auch unkonventionelle Meinungen im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden, solange die Meinungen nicht gegen die Werte des Grundgesetzes verstoßen.“

In der Familienpolitik setzt sich die Partei für eine finanzielle Unterstützung der „Keimzelle der Gesellschaft“ ein. „Eine solidarische Förderung der Familien ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft und wesentlicher Teil des Generationenvertrages“, lautet die Formulierung im AfD-Wahlprogramm.

Nach Ansicht der Partei muß eine ungeordnete Zuwanderung in die Sozialsysteme unterbunden werden. Als Lösung schlägt sie ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild vor. Asylbewerber sollen eine  Arbeitserlaubnis erhalten.

 

 

Meinung der anderen

„Die ‘Alternative für Deutschland’ sollte ernst genommen werden. Mit der Anti-Euro-Stimmung sorgte die AfD schnell medial für erhebliche Aufmerksamkeit und hohes Interesse. Der Blick ins europäische Ausland zeigt, daß neue Bewegungen mit populistischem Einschlag durchaus schnell politische Erfolge verzeichnen können.“

„Die Entstehung von AfD, Piratenpartei und Freien Wählern in den vergangenen Jahren zeigt bei aller Unterschiedlichkeit dieser Gruppierungen aber auch, daß unabhängig vom Bestand dieser Bewegungen im deutschen Parteiensystem ein gewisses Potential für ‘Anti-Parteien-Parteien’ vorhanden ist.“

(Aus einer Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung über die AfD)

 

CDU

„Wer zurück zur D-Mark will, riskiert Deutschlands Spitzenposition und eine Spaltung Europas.“. 

(CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in der Welt)

 

„Je mehr Stimmen Union und FDP an die AfD verlieren, desto näher bringt das die SPD zur Kanzlerschaft.“

(Klaus-Peter Willsch, CDU-Bundestagsabgeordneter und Euro-Kritiker)

 

FDP

„Die AfD ist gegenwärtig ein Sammelbecken politisch Unzufriedener mit einer tendenziell national-konservativen Ausrichtung. Nach den bisher vorliegenden demoskopischen Analysen zeichnet sich das Wählerpotential der AfD – im Gegensatz zur Mitgliedschaft – mehrheitlich durch ein eher niedriges Bildungs- und Einkommensniveau aus.“ 

(Aus einer internen Analyse der FDP-Parteizentrale)

„Jedes neue Hilfspaket in Europa ist Wasser auf die Mühlen der AfD.“

(Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter und Euro-Kritiker)

 

SPD

„Die AfD ist eine populistische Abspaltung von CDU und FDP, sie beweist die politischen Erosionstendenzen bei Schwarz-Gelb. Der halbe Bundesvorstand der AfD  besteht aus Ex-CDU-Mitgliedern. Nationalkonservative und marktradikale Kräfte wenden sich ab von Union und FDP.

(„Kommunikations-Vorschlag“ zum Umgang mit der AfD aus einem internen Vermerk des Willy-Brandt-Hauses)

„Ich bin mir nicht so sicher, bei wem die abgraben. Wir wissen, daß sie am ehesten Stimmen bei der FDP und der Union abziehen, aber vielleicht auch bei uns.“

(SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Gespräch mit dpa)

 

Der Weg zur Bundestagswahl

September 2012

Bernd Lucke, Alexander Gauland und Konrad Adam gründen die  Wahlalternative 2013. Ziel ist es, die Freien Wähler bei der Bundestagswahl zu unterstützen.  „Die Bundesrepublik ist in der schwersten Krise ihrer Geschichte“, heißt es im Gründungsaufruf.

Januar 2013

Im Landtagswahlkampf in Niedersachsen unterstützt die Wahlalternative die Freien Wähler. Diese erreichen bei der Wahl am 20. Januar 1,1 Prozent.  Infolge des von der Wahlalternative als enttäuschend gewerteten Ergebnisses kommt es zum Bruch.

6. Februar 2013

Nachdem die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern gescheitert ist, gründet sich aus der  Wahlalternative heraus die „Alternative für Deutschland“ (AfD) als eigenständige Partei. Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry übernehmen die Parteiführung.

11. März 2013

Mehr als 1.200 Menschen folgen der Einladung der AfD zu einer Informationsveranstaltung in die Stadthalle von Oberursel in der Nähe von Frankfurt am Main. In den Medien findet die Veranstaltung breite Beachtung.

14. April 2013

Auf dem Bundesparteitag in Berlin beschließen die rund 1.500 angereisten Mitglieder der AfD, daß die Partei zur Bundestagswahl antritt. Die drei Sprecher (Vorsitzende) Lucke, Adam und Petry werden im Amt bestätigt.

5. Juli 2013

Der Bundeswahlausschuß in Berlin entscheidet darüber, ob die AfD die formalen Voraussetzungen erfüllt, um als Partei zur Bundestagswahl anzutreten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen