© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Herr Sarrazin will nicht helfen
Euro-Rettung: Der frühere Finanzsenator beschränkt sich bei einer Veranstaltung in Berlin auf die Rolle des Moderators, statt der AfD beizutreten
Thorsten Brückner

Herr Sarrazin, helfen Sie uns, kandidieren Sie.“ Unfreiwillig rückte der Moderator der Veranstaltung plötzlich in den Mittelpunkt. Zumindest in dieser Sache sorgte der Abend bei dem einen oder anderen für Ernüchterung: Thilo Sarrazin stellte klar, er wolle weder der Alternative für Deutschland (AfD) beitreten noch für ein politisches Amt kandidieren.

Neben Sarrazin, der sich als Moderator weitgehend zurückhielt, drehte sich bei der Diskussionsveranstaltung „Der Euro gerettet, Deutschland ruiniert“ vergangene Woche in Berlin alles um den Gründer und Sprecher der AfD, Bernd Lucke. Wer sich Aufschlüsse über die weitere Strategie der Alternative für Deutschland im anstehenden Bundestagswahlkampf erwartet hatte, wurde auf der Veranstaltung jedoch enttäuscht. Vier Wirtschaftsprofessoren als Diskutanten und ein Moderator, der nur selten den Redefluß bremste, sorgten stellenweise für eine Vorlesung in Volkswirtschaftslehre.

„Mir würden schon 46 Prozent reichen“

Der Stimmung des Publikums tat das keinen Abbruch. Besonders die Forderungen Luckes nach einer Euro-Reform bedachten die Zuhörer immer wieder mit Applaus. „Die Einheitswährung hat die Krisenländer gravierend überfordert“, stellte Lucke seine Kernthese vor. Seit der Einführung der Gemeinschaftswährung habe es in diesen Staaten fast durchgehend Leistungsbilanzdefizite gegeben. Besonders kritisierte er, daß die „erzieherischen Maßnahmen“, die die Staaten zu Reformen drängen sollten, aufgrund des bedingungslosen Rettungsschirms, mit dem man die Märkte beruhigen wollte, nicht griffen. „Es sind immer wieder Mängel in der Auflagenerfüllung festgestellt worden, aber nie wurden die Konsequenzen gezogen.“ Das habe die Politik unglaubwürdig gemacht.

Besonders die Jugendarbeitslosigkeit in den süd-europäischen Ländern bereitet Lucke Sorgen. Diese hinterlasse eine „bleibende Narbe“ in den Volkswirtschaften der betroffenen Länder. Selbst wenn diese Jugendlichen irgendwann einmal einen Job fänden, blieben sie „einkommensmäßig immer benachteiligt“. Von Sarrazin befragt, was er machen würde, wenn er 51 Prozent erhielte und Bundeskanzler wäre, antwortete Lucke launig: „Mir würden schon 46 Prozent reichen, dann koaliere ich mit der auf sechs Prozent geschrumpften CDU.“ Unmutsäußerungen ließen darauf schließen, daß bei dem Publikum Luckes Humor nicht verfangen wollte. Inhaltlich wiederholte er die Forderungen, mit deenen die AfD bereits in den vergangenen Monaten für Wirbel gesorgt hatte: Keine weiteren Hilfszahlungen für Pleitestaaten, Austrittsrecht aus dem Euro, Maastricht-Kriterien, inklusive No-bail-out-Klausel, wieder aufrichten.

Hier sekundierte ihm Jürgen Stark, 2011 zurückgetretener Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB): Man habe den Maastricht-Vertrag 2010 in „einer Art Staatsstreich“ über Bord geworfen, kritisierte er. Zwar glaube er prinzipiell daran, daß es möglich sei  über Reformen zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu gelangen, wie dies auch in Staaten wie Lettland oder Irland erfolgreich geschehen sei. Voraussetzung dafür sei jedoch ein starker politischer Wille und ein breiter gesellschaftlicher Konsens: „Die Einsicht, daß man über die Verhältnisse gelebt hat und jetzt gegensteuern muß.“

Am Ende legte Sarrazin dann doch noch die Moderatorenrolle ab und fiel durch einen eigenen Meinungsbeitrag auf. Würde es noch nationale Währungen geben, so der frühere Berliner Finanzsenator und ehemalige Bundesbankvorstand, würden in einer Krise wie dieser die Währungen abgewertet werden. „Das fehlt meiner Meinung nach, damit diese Staaten wieder Schritt halten können.“ Ein Schlußwort, dem am Ende  dann doch fast alle zustimmen konnten.

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