© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

„Einseitige Versöhnung bringt nichts“
Geschichtspolitik: Noch bevor sie gehalten wurde, sorgte die Rede von Schlesier-Chef Rudi Pawelka für Absagen und Streit innerhalb des Vertriebenenverbandes
Christian Vollradt

Die Aufregung um seine Rede kann Rudi Pawelka, Vorsitzender der Schlesischen Landsmannschaft (SL), nicht nachvollziehen. Einen Tag vor dem Deutschlandtreffen der Schlesier am vergangenen Wochenende in Hannover hatte ein vermeintlicher „Eklat“ medial für Furore gesorgt.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sowie Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) hatten ihr Erscheinen kurzfristig abgesagt mit der Begründung, die Rede Pawelkas diene nicht der deutsch-polnischen Versöhnung. Zuvor war der Präsident der Schlesischen Landesvertretung, Michael Pietsch, zurückgetreten. Er warf Pawelka einen rückwärtsgewandten Kurs vor: „Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg, es ist nicht mehr die Zeit der radikalen Forderungen“, erklärte Pietsch dem Norddeutschen Rundfunk. „Ich kann nicht sehen, was an meiner Rede zu beanstanden ist“, sagte Pawelka dagegen der JUNGEN FREIHEIT.

Besonders ärgerlich findet es der SL-Vorsitzende mit Blick auf das Vorgehen Pietschs, daß eine Indiskretion aus den eigenen Reihen Ursache für die negativen Schlagzeilen sei. „Vor 14 Tagen hatte ich einen ersten Entwurf meiner Rede an die Vorstandskollegen geschickt und sie um eine Stellungnahme gebeten. Erst eine Woche später hat sich dann Herr Pietsch gemeldet und um eine stärkere Berücksichtigung des Versöhnungsgedankens gebeten.“ Er habe, so Pawelka, dann noch entsprechende Gedanken zugefügt, aber nicht sein ganzes Konzept ändern wollen. „Es sollte ja meine Rede bleiben.“

In der Tat nahm Pawelka in der Rede kein Blatt vor den Mund: „Wir machen einseitig Versöhnung, das bringt auf Dauer nichts.“ Deutschland habe sich bereits vielfach für die Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges entschuldigt. Die Zukunft könne nicht gestaltet werden, wenn ein wesentlicher Teil der deutschen Geschichte, die Vertreibungen nach 1945, „weitgehend im Dunkeln bleibt und nicht aufgearbeitet wird“. Neben Kritik an Polen und Tschechien verschwieg Pawelka nicht „einige versöhnliche Ansätze“ in beiden Ländern. Zwar seien hier erste Ansätze einer Anerkennung der Leiden der vertriebenen Deutschen zu sehen, dennoch fehle bis heute eine klare Entschuldigung für die nach dem Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen. Lob findet der 73jährige dagegen für Rumänien und Ungarn. So habe sich etwa die Regierung in Bukarest für die Vertreibung der Donauschwaben entschuldigt. Die Überlebenden und Angehörigen können sogar per Gesetz eine Entschädigung erhalten.
Im Mittelpunkt seiner Kritik stand allerdings nicht das Ausland, sondern die deutsche Bundesregierung. Den Streit um einen Gedenktag für die Vertriebenen bezeichnete Pawelka als „Eiertanz“. Am Ende rief er den Schlesiern entgegen: „Wir verfechten keine geteilte Moral wie viele unserer Gegner, sondern wir versuchen, Probleme zu verstehen und dauerhaft zu lösen.“ Für seine Rede erhielt er viel Applaus und Zuspruch von der Basis.

Michael Pietsch sieht sich in seiner Kritik dennoch bestätigt. „Ich kritisiere die Aneinanderreihung ausschließlich solcher Aspekte der deutsch-polnischen Geschichte, die jeweils in einem Vorwurf gegen die polnische Seite münden“, sagt er der JF. Die junge Generation in Schlesien suche nach deutschen Spuren. „Das ist eine große Chance für die Heimatvertriebenen, ein wenig von dem über die Zeit zu retten, was unsere Kultur ausmacht.“ Mit solchen Reden gelinge das nicht. Den Vorwurf, er habe den Text im Vorfeld an die niedersächsische Landesregierung weitergegeben, streitet Pietsch ab. Er betonte außerdem, daß es kein Konflikt zwischen Einzelpersonen sei. Innerhalb der Führung der SL gebe es seit längerem „Diskussionen um die inhaltliche Ausrichtung“.

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