© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/13 / 28. Juni 2013

Lockerungsübungen
Halbherzige Zentralisierung
Karl Heinzen

Seit langem hält sich in der deutschen Öffentlichkeit das Gerücht, daß das Bildungsniveau der Abiturienten im Vergleich der Bundesländer sehr unterschiedlich ist. So steht Bayern in dem Ruf, seinen Schülern besonders viel abzuverlangen. Bremen hingegen gilt manchen als bildungspolitisches Entwicklungsland.

Diese Vorurteile konnten zwar wissenschaftlich nie untermauert werden. Dennoch hat sich die Kultusministerkonferenz jetzt dazu durchgerungen, ihnen Rechnung zu tragen. Schritt für Schritt sollen die Länder Aufgaben aus ihren Abiturprüfungen in einen bundesweiten Katalog einspeisen, aus dem sich die anderen bedienen können. Der erste Praxistest ist für das Schuljahr 2016/17 geplant. Bis zu 36 Aufgaben pro Fach sollen dann zentral abrufbar sein.

Ein bundesweites Zentralabitur ist damit noch längst nicht erreicht. Bis es soweit ist, gilt es noch zahlreiche Widerstände vor allem von Lehrern und Eltern zu überwinden. Allerdings ist ein erster Schritt getan, um den Föderalismus auch auf dem Gebiet der Bildung zu überwinden.

Es wäre höchste Zeit für ein europäisches, wenn nicht gar ein globales Zentralabitur.

Ob die Zentralisierung den Wissensstandort Deutschland stärkt, ist zwar fraglich. Einige dürfen sich jedoch bereits als Nutznießer der Reform fühlen. So wächst dem in Berlin ansässigen Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die von den Ländern eingereichten Vorschläge zu evaluieren. Kommerzielle Nachhilfeinstitute, die bereits dank der Verkürzung der gymnasialen Ausbildung von neun auf acht Jahre einen Boom erlebten, können ihre Angebote zum Abiturtraining standardisieren und damit Kosten sparen.

Am Charakter der Prüfungen vermag jedoch auch die Zentralisierung der Aufgaben nichts zu ändern. Es wird weiterhin punktuelles Wissen abgefragt, und der Zufall entscheidet, ob sich die Schüler ausgerechnet auf diesen Stoff vorbereitet haben oder nicht. Zudem fließen in die Abiturnoten die Leistungen der beiden letzten Schuljahre wesentlich ein. Auch hier müßte im Interesse der Vergleichbarkeit eine Zentralisierung für Klausuren, Tests und Mitarbeit im Unterricht erfolgen. Überdies ist es bedenklich, wenn der Blick auf Deutschland verengt wird. Junge Menschen haben es heute mit einem internationalen Arbeitsmarkt zu tun. Es wäre daher höchste Zeit für ein europäisches, wenn nicht gar ein globales Zentralabitur.

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