© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Auf den Spuren der ETA
Spanien: Nicht nur Katalanen und Basken verlangen nach Autonomie, auch in Galicien regt sich Widerstand gegen die Zentralregierung
Michael Ludwig

Spanien muß sich auf eine neue Herausforderung einstellen. Neben wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Problemen auf der einen sowie sezessionistischen Bestrebungen im Baskenland und in Katalonien auf der anderen Seite melden sich nun verstärkt die Galicier zu Wort. Sie wollen ihre Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Madrid herbeibomben.

Anlaß für die verstärkte Berichterstattung über das, was im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel geschieht, ist der beginnende Prozeß gegen vier Galicier, denen die Staatsanwaltschaft Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und über 30 Bombenanschläge seit 2005 zur Last legt. Sie beantragte ein Strafmaß zwischen zwölf und 20 Jahren Gefängnis.

Vom Ausland weitgehend unbemerkt hat sich in dieser Provinz eine alarmierende Radikalisierung vollzogen. Sie wird vor allem vom „Bloque Nacionalista Galego" (BNG) getragen, einer Plattform linker nationalistischer Parteien und Gruppierungen, die den bewaffneten Konflikt mit dem Staat suchen.

Die renommierte Tageszeitung El Mundo zitiert Madrider Sicherheitskreise, die davon ausgehen, daß der BNG „seine politische Linie geändert hat" und nun einen Weg einschlägt, wie ihn die baskische terroristische Untergrundorganisation ETA gegangen ist – auf der einen Seite Stärkung des legalen parlamentarischen Arms der Bewegung, auf der anderen gewalttätige Aktionen im Untergrund.

Eines der ersten Anzeichen dafür, daß der BNG sein Streben nach einer Loslösung Galiciens aus dem spanischen Staatsverband auf eine neue Grundlage gestellt hat, war die Ablehnung eines Vorschlags der konservativen Partei. Diese hatte im Parlament einen Antrag eingebracht, der die Ächtung des Terrorismus in Galicien zum Ziel hatte. Die linken Nationalisten verweigerten ihre Unterschrift.

Inzwischen gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, daß die „Resistencia Galega" einen gewissen Organisationsgrad erreicht hat, der für Polizei und Geheimdienst eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt. Der militärische Arm der Widerstandsbewegung umfaßt Arbeitskreise für Finanzen und für Fälschungen amtlicher Ausweise und Papiere.

Allein in den letzten drei Jahren kam es zu sechzehn Bombenanschlägen. „Die wichtigsten Ziele der Übergriffe sind vor allem Büros politischer Parteien, Eigentum von Politikern, Banken, Arbeitsämter und Justizgebäude", schreibt El Mundo. Die galicischen Untergrundkämpfer machen dabei zwischen der konservativen PP und der sozialistischen Partei keinerlei Unterschiede – beide werden gleichermaßen mit Gewalt überzogen.

Wie ernst das Thema ist, zeigt, daß es sich beim „Bloque Nacionalista Galego" keinesfalls um eine kleine, zu vernachlässigende Minderheit handelt. Die 1982 gegründete Organisation konnte bei den Regionalwahlen von 1997 mit 24,8 Prozent der Stimmen hinter der PP und noch vor den Sozialisten zweitstärkste politische Kraft werden. Seither verlor sie allerdings an Zustimmung. Bei den Wahlen 2009 votierten nur noch 16 Prozent für sie, was ihr zwölf Sitze im regionalen Parlament einbrachte. Im spanischen Nationalparlament ist der BNG derzeit mit zwei Abgeordneten vertreten.

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