© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

Glückwünsche für Hundertjährige
NSU-Affäre: Ein früherer Aktenvernichter im Verfassungsschutz arbeitet heute Bundespräsident Gauck zu
Richard Stoltz

Belohnung oder Strafe? Darüber rätselt man zur Zeit in höheren Beamtenkreisen, seitdem bekannt wurde, was mit dem berühmt-berüchtigten „Schredder-Mann" passiert ist, jenem Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der seinerzeit Akten über die sogenannten NSU-Morde beseitigt haben soll.

Zur Erinnerung: Kurz nachdem die beiden mutmaßlichen NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen in einem Wohnmobil aufgefunden worden waren und ihre Lebensgefährtin Beate Zschäpe sich der Polizei gestellt hatte, vernichtete der „Schredder-Mann" viele den Fall betreffende Akten, darunter, wie gemunkelt wird, die „entscheidenden", die wichtigste Auskunft über die NSU-Gruppe und ihre Beziehungen zum Verfassungsschutz hätten liefern können.

Es war ein Rieseneklat. Heinz Fromm, der damalige Chef des Bundesverfassungsschutzes, trat zurück. Er versicherte, er könne zu der Affäre nichts sagen, denn seine Mitarbeiter hätten ihn in dieser Sache hinters Licht geführt. Auch schließe er nicht aus, daß ein Referatsleiter etwas vertuschen wollte.

Der besagte Referatsleiter, eben der „Schredder-Mann", blieb im Dunkel; auch jetzt wird sein Name weiter als Geheimnis gehandelt. Durchgesickert ist indessen, daß er nun zu den Zuarbeitern für Bundespräsident Joachim Gauck gehört, wie der Südwestrundfunk berichtet. Der Mann formuliert unter anderem Glückwünsche für Bürger, die hundert Jahre alt werden, oder die Ehrenpatenschaft des Bundespräsidenten für das siebte Kind einer Familie.

Das Bundespräsidialamt will die Personalie nicht kommentieren. Und das Bundesverwaltungsamt teilt nur mit, die Personalentscheidung habe das Amt in eigener Verantwortung getroffen. Das vorgesetzte Bundesinnenministerium werde erst bei wichtigeren Stellen in höheren Besoldungsgruppen beteiligt.

Armer „Schredder-Mann"! Vom Vernichter hochwichtiger Staatsakten zum Verfasser von Glückwunschpostkarten für Hundertjährige. Immerhin kann man sich in solchem Job ordentlich entspannen, kann schön alt werden. Vielleicht wird der „Schredder-Mann" sich eines Tages selber eine Glückwunschkarte schreiben.

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