© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/13 / 12. Juli 2013

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Bestandsdatenauskunft: Paßwörter sind nicht mehr geheim / So schlagen Sie dem Staat ein Schnippchen
Christian Schreiber

Seit dem 1. Juli gilt in der Bundesrepublik Deutschland das neue Bestandsdatengesetz. Und während die Wellen aufgrund ausländischer Spionage auf deutschen Computern hochgehen, hält sich der Proteststurm ziemlich in Grenzen. Das ist überraschend, bringt das neue Gesetz den „gläsernen Bürger" doch ein Stück näher.

Das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft ermöglicht Sicherheitsbehörden, private Daten von Internetbenutzern zu bekommen. Durch eine Abfrage bei Betreibern kann der Staat so erfahren, welche Person hinter einer IP-Adresse steht, die eine Seite im Internet angeklickt hat. Als Beispiele wurden dabei Anleitungen zum Bombenbau genannt oder illegaler Tausch von Musikdateien.

Aber auch bei einem angedrohten Amoklauf oder einem angekündigten Suizid sollen die Behörden künftig die Möglichkeit haben, einzuschreiten. Dafür mußten in Windeseile auch die Landesgesetze geändert werden. Und die fallen nun sehr unterschiedlich aus. In Mecklenburg-Vorpommern kann jeder Polizeibeamter die entsprechenden Auskünfte einfordern. Eine Benachrichtigung des Betroffenen kann aus ermittlungstechnischen Gründen bis zu fünf Jahre hinausgezögert werden.

Daß der ausgespähte Bürger erst im nachhinein von der Bespitzelung erfährt, ist dabei die Regel. Höchst unterschiedlich ist die Frage geregelt, ob ein Gericht einen entsprechenden Beschluß fassen muß. In Mecklenburg-Vorpommern ist dies nicht nötig, in den meisten anderen Bundesländern wie zum Beispiel in Niedersachsen dagegen schon.

Hochsensible Daten wie Paßwörter, Zugangscodes und IP-Adressen dürfen nur bei Gefahr für Leib, Leben und Freiheit eingeholt werden. Und dies nur, wenn ein Richter vorher grünes Licht gegeben hat. Datenschützer sehen die neuen Regelungen höchst kritisch, fürchten ein unkoordiniertes Vorgehen und Mißbrauch durch staatliche Stellen.

Per Verfassungsbeschwerde wollen 4.000 Bürger, darunter Abgeordnete der Piratenpartei, das Gesetz doch noch stoppen. Der Initiator der Initiative, der Kieler Parlamentarier Patrick Breyer, kritisiert zum einen die weitreichenden Befugnisse, auf Kommunikationsdaten zuzugreifen: „Zum anderen ist das Gesetz so unpräzise formuliert, daß unklar bleibt, unter welchen Bedingungen Polizei und Verfassungsschutz die Bürger ausspionieren dürfen", sagte Breyer Anfang der vergangenen Woche.

Rot-Grün und Schwarz-Gelb für mehr Überwachung

Noch im Februar 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht das ursprüngliche Gesetz der rot-grünen Koalition zur Datenauskunft nach einer Beschwerde Breyers für verfassungswidrig erklärt. Auch bei der nachgebesserten Version wurden massive Bedenken geäußert.

Dennoch setzte die schwarz-gelbe Koalition das neuerliche Vorhaben mit Unterstützung der SPD um. Gravierende Zweifel an der Rechtmäßigkeit bleiben.

In Kraft getreten ist die Regelung dennoch. Während sich im Internet teilweise wütender Protest regt, bieten Netzaktivisten Möglichkeiten an, um doch noch sicher surfen zu können. Bekannt ist vor allem, die Software Tor, die mit dem Schlachtruf „Tor ins sichere Netz" Datenschnüfflern den Kampf ansagen will. Dabei handelt es sich um eine kostenlose Software, die es ermöglicht, den eigenen Datenverkehr im Netz zu verschleiern.

Normalerweise sendet ein Internet-Browser bei jedem Seitenaufruf zahlreiche Daten wie IP-Adresse, Standort und installierte Applikationen mit. Fragt eine Behörde nun nach den Daten eines Bürgers, kann sie so aufschlußreiche Internetprotokolle, inklusive Paßwörtern und Kontozugangsdaten erlangen.

Offiziell soll die Justiz damit illegalen Machenschaften auf die Schliche kommen, doch bislang ist ungeregelt, was mit den Daten geschieht. So könnte beispielsweise eine Behörde private Kontodaten an das Finanzamt weiterleiten, um zu sehen, ob die betroffene Person auch die Steuerklärung ordnungsgemäß ausgefüllt hat. Tor (aus dem Englischen The Onion Routing) soll dies verhindern. Es arbeitet nach der Methode, daß jeder Datensatz an verschiedenen Knotenpunkten mehrfach verschlüsselt wird.

Internetaktivisten gehen allerdings davon aus, daß staatliche Stellen, allen voran Geheimdienste, mit Hochdruck daran arbeiten, dieses Programm zu entschlüsseln.

Sie empfehlen nach wie vor eine anonyme Kommunikation – bei privaten E-Mail-Diensten oder vorausbezahlten Karten für das Handy sei eine Anmeldung mit bürgerlichen Namen nicht nötig. Abgesehen davon werden häufige Wechsel des E-Mail-Providers (Wegwerf-E-Mail) oder des Handy-Anbieters empfohlen.

Dies sei zwar aufwendig, biete aber immerhin ein größeres Maß an Sicherheit. Theoretisch besteht auch die Möglichkeit, sich ein E-Mail-Konto bei einem ausländischen Anbieter anzulegen. Diese Paßwörter sind jedenfalls für deutsche Behörden nicht erreichbar. Der E-Mail-Verkehr kann dennoch abgefangen werden, wenn nämlich der Empfänger ein Postfach eines deutschen Anbieters hat. Zudem arbeitet beispielsweise der US-Anbieter Googlemail eng mit dem Geheimdienst CIA zusammen.

Kleine Auswahl kostenfreier ausländischer E-Mailanbieter:

http://mail.virgilio.it/  (Italien)

http://www.swisscom.ch  (Schweiz)

https://mail.yandex.com/  (Rußland)

http://correo.terra.com.ar/  (Argentinien)

Kenntnisse der jeweiligen Landessprache sind bei der Anmeldung von Vorteil

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