© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Was bleibt, ist Gleichschaltung
Feigenblatt „Vielfalt“: Minderheiten versuchen, ihre Ansprüche gegen eine Mehrheit durchzusetzen
Thorsten Hinz

Eine der häufigsten Vokabeln in der öffentlichen Rede ist das Wort Vielfalt. Berlin erklärt sich zur „Stadt der Vielfalt“, „Feste der Vielfalt“ werden veranstaltet, Beratungsstellen firmieren als „Welt der Vielfalt“, es gibt sogar eine „Charta der Vielfalt“, die von Großkonzernen, Versicherungsunternehmen, Bundesministerien, Fußballclubs, Bildungswerken, Bäderbetrieben unterzeichnet wurde. Jeder weiß inzwischen, daß er für „Vielfalt“ eintreten muß, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Nun ist Vielfalt etwas Selbstverständliches, ein Attribut des Lebens selbst, wenigstens außerhalb totalitärer Regime. Jeder Mensch stellt ein Ensemble vielfältiger Eigenschaften und Begabungen dar, jede freie Gesellschaft setzt sich aus Individuen unterschiedlicher Charaktere, Interessen, Herkünfte, Lebensalter zusammen. Um die Spannungen auszugleichen, die sich aus solcher Vielfalt ergeben, und um sie produktiv zu machen, befolgten die Menschen instinktiv das Motto: Leben und leben lassen!

Das setzt Verantwortungsgefühl und die Fähigkeit zur Selbstverantwortung voraus. Natürlich ändert sich im Laufe der Zeit der Normenrahmen, also der Konsens darüber, wieviel und welche Verschiedenheit tolerabel ist. Es handelt sich normalerweise um einen evolutionären Prozeß. Das ist wichtig, weil damit die Kontinuität der Lebenswelt gewahrt bleibt, ohne daß sie erstarrt.

Auch Zuwanderung hat stets zur Vielfalt beigetragen. Friedrich der Große hat sie ausdrücklich gefördert. Seine einzige Bedingung war: Es mußte sich um „brave Leute“ handeln, die dem Staat gegenüber loyal waren, Gesetze einhielten und mit ihrem Fleiß und ihren Fähigkeiten seinen und so auch den eigenen Nutzen mehrten. Das stiftete über alle Verschiedenheit hinweg eine neue Gemeinsamkeit.

Das neue Vielfalt-Ideal hingegen verwirklicht sich nicht in gemeinsamer Arbeit, sondern soll administrativ, durch eine totale Mobilmachung in Politik, Medien, Bürokratie und Justiz durchgesetzt werden. Die Menschen werden auf eine neue Einförmigkeit eingestimmt, die ihren Interessen zuwiderläuft und ihre Existenz gleichschaltet. Während die Preußen schauten, ob die Neuankömmlinge zu ihnen paßten, soll heute die Aufnahmegesellschaft passend gemacht werden für alle, die Einlaß begehren. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle europäischen Staaten, ja die gesamte „weiße“ Welt, die sich dem One-World-Konzept bis zur Selbstnegation unterwerfen soll. Diese „Vielfalt“ meint nicht die Vielfarbigkeit des Lebens, sondern bezeichnet ein kulturrevolutionäres Konzept, um die europäische Lebenswelt umzustürzen, zwangsweise zu vereinheitlichen und unter ein globalistisches Dogma zu stellen. Die Zuwanderung ist dabei nur ein Aspekt unter mehreren.

Das Dogma wird auf der politisch-operativen Ebene mit dem englischen Begriff „Diversity“ beziehungsweise „Diversity Management“ (Vielfaltsmanagement) bezeichnet. Gemeint ist der Abbau vermeintlicher Diskriminierungen aus ethnischen, sexuellen oder religiösen Gründen. Die Organisatoren der „Charta der Vielfalt“ haben dazu in diesem Jahr erstmals einen „Deutschen Diversity-Tag“ ausgerufen. Das „Diversity Management“ wendet sich stets gegen europäische, nationalstaatliche, christliche oder männliche Normen. Verschiedene Minderheiten versuchen damit, ihre Machtansprüche gegen eine Mehrheit durchzusetzen. Allerdings sind die Interessen beispielsweise von Moslems, Feministinnen oder Homosexuellen, die allesamt als diskriminierte Opfergruppen gelten, geradezu konträr, ja, sie schließen sich gegenseitig aus. Zusätzliches Chaos ist also programmiert.

Gegen ihre öffentliche Delegitimierung wappnen die Diversity-Vorkämpfer sich mit einem Benennungverbot und letztlich durch das Strafrecht. Thilo Sarrazin hatte 2009 das mindere durchschnittliche Bildungspotential der muslimischen Zuwanderung sowie die finanziellen und sozialen Folgekosten nachgerechnet. Das hat ein UN-Antirassismus-Ausschuß zum Anlaß genommen, von der Bundesregierung die Verschärfung der Strafgesetze zu fordern, und die Regierung hat angedeutet, daß sie dem nachkommen will.

Das Vielfalt- beziehungsweise Diversity-Konzept erweist sich als ein straffes ideologisches Programm mit klarer Freund-Feind-Kennung. Als Feind gilt auch, wer die polare Gechlechter-Konstellation weiterhin als Normalität behauptet, anstatt sie – wie inzwischen üblich – als Konstrukt zu dekonstruieren und damit den gattungsmäßigen Fortbestand in Frage zu stellen. Demnächst soll der deutsche Mittelstand – das Rückgrat der deutschen Ökonomie – Frauenquoten einführen. Als wüßten die verantwortlichen Mittelständler nicht am besten, was ihren Firmen nutzt. Mit unheimlicher Folgerichtigkeit überformt die Ideologie auch noch die letzten Refugien der Vernunft.

Handelte es sich bloß um ein politisches Programm, ließe es sich leichter bekämpfen. In der Vielfaltsideologie aber wirkt ein Fortschritts- und säkularer Erlösungsglaube weiter, von dem man angenommen hatte, daß er sich 1989 endgültig erledigt hätte. Zweitens hat der traditionelle Egalitarismus hier einen wirksamen Anknüpfungspunkt gefunden, um seine Vorstellungen durchzusetzen. Ein Mittel dazu ist die Inversion, die Umkehrung. Indem etwa die Schwelle der Bildungsanforderungen gesenkt wird, gelten die Dummen plötzlich als klug, während die wirklich Klugen als elitär, subversiv und politisch gefährlich abgestempelt werden und verstummen.

Wer also Vielfalt sagt, meint das Gegenteil, nämlich Konformismus, Gleichschaltung, Heuchelei. Die Frage lautet, wie sich die Lebensvielfalt vor der geballten Macht der Negativ-Auswahl retten läßt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen