© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/13 19. Juli / 26. Juli 2013

Nicht so ernst gemeint
Gender-Debatte: Die Heinrich-Böll-Stiftung, „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer und die Kunst der Ironie
Andreas Wild

Jan Fleischhauer, der weiße Rabe unter den Kolumnisten von Spiegel-Online, hat sich gegen eine Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen gewandt, in der sein Redaktionskollege René Pfister zusammen mit anderen in eine der dort üblichen Denunziationslisten eingetragen wird, weil sie – so die Böll-Stiftung – „mit polemisierenden Texten die Arbeit all derjenigen Menschen herabzuwürdigen versuchen, die sich dem Fortschritt im Geschlechterverhältnis verpflichtet fühlen“.

Was hatte sich speziell Pfister zuschulden kommen lassen? Fleischhauer: „Vor sechs Jahren hat er einen Text geschrieben, in dem er den Sinn staatlich finanzierter Programme anzweifelte, die der Idee zum Durchbruch verhelfen sollen, daß Geschlecht vor allem ein soziales Konstrukt sei und nichts Biologisches. Ich hatte den Text schon vergessen. Die Böll-Stiftung vergißt nichts so leicht.“

Der Fall ist lächerlich und degoutant, und Fleischhauer hat ihn mit angemessener Süffisanz aufgespießt, wobei außer den Genderisten auch noch die ebenfalls staatlich finanzierten „Klimawandelwächter“ ihr Fett abbekommen. So weit, so gut. Aber zum Schluß schreibt der Kolumnist dann: „Zum Glück bin ich selbst noch auf keiner Liste aufgetaucht, es gibt bei mir auch keinen Grund. Aber ich glaube, ich wäre lieber Klimaleugner als Gender-Gegner.“

Das ist wahrscheinlich ironisch gemeint. So wie es dasteht, könnte es freilich auch ein verkapptes, vorauseilendes Friedensangebot an Genderisten und Klimawächter sein, ein Augenzwinkern: „Es war nicht so ernst gemeint.“

Die Kunst der Ironie ist gar nicht so leicht zu lernen. „Der hatte sich so an seine Ironie gewöhnt“, sagte einst Nietzsche über Friedrich Schlegel, „daß er sich damit den Charakter verdarb. Diese ewige schadenfrohe Überlegenheit! Da glich er denn einem Hund, der noch das Lachen gelernt hat außer dem Beißen.“

Man könnte das „Beißen“ in dem Zitat durch „Nichtbeißen“ ersetzen. Dann träfe es ziemlich genau auf die Kolumnen von Jan Fleischhauer zu.

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