© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Auf die Gene allein kommt es nicht an
Sprachpolitische Korrektheit: Frankreichs Präsident Hollande will das Wort „Rasse“ aus Gesetzen streichen
Richard Stoltz

In Frankreich soll das Wort „Rasse“ laut Ankündigung von Präsident Hollande vor der Nationalversammlung aus der Verfassung des Landes und aus allen Gesetzen gestrichen werden. „Rasse“, so donnerte der Obersozialist, sei ein Unwort. Es beziehe sich auf eine Sache, die es gar nicht gebe und dessen Gebrauch schlimmer Demagogie entspringe und das öffentliche Leben vergifte.

Alle Menschen, so Hollande, seien gleich, es gebe nur eine einzige biologische Spezies namens Homo sapiens, das habe die genetische Forschung glasklar zutage gefördert. Das menschliche Genom sei in allen „Rassen“ auf der Erde faktisch völlig identisch, und deshalb sei auch endlich eine „sprachliche Gleichstellung“ in Verfassung und Gesetzgebung überfällig.

Gut gemeint ist freilich nicht immer auch gut, und die von Hollande angepeilte Verfassungsänderung hält einige Fallstricke bereit. Der Mensch besteht, wie alle anderen Lebewesen auch, nicht nur aus seinem Genom, sondern wird beispielsweise auch stark von seinem „Phänotyp“ geprägt, also von seiner körperlichen Real-Erscheinung, die bekanntlich trotz gleicher Gene regional und stammesmäßig sehr verschieden sein kann.

Bei hochentwickelten Tierarten, besonders Säugetieren und Vögeln, unterscheidet die Biologie seit Olims Zeiten sogenannte Unterarten, also „Rassen“. Auf die Gene allein kann man sich nicht verlassen. Auch der Bonobo-Schimpanse in Afrika verfügt über ein mit dem Menschen bis auf winzigste Differenzen gleiches Genom, aber noch niemand ist darauf gekommen, ihm deshalb Menschen- und Bürgerrechte zu verleihen.

Was aber Monsieur Hollande gänzlich übersehen zu haben scheint, ist der Umstand, daß es eine unendliche Menge von Wörtern gibt, die auf Nichtvorhandenes zielen; ohne sie wäre menschliches Sprechen gar nicht möglich, und schon gar nicht politisches Handeln. Alle in der französischen Verfassung und in den dortigen Gesetzen vorkommenden Wörter, die sich auf Rasse beziehen, sind Worte gegen Rassendiskriminierung und für den Kampf gegen sie. Wie soll man nun Rassendiskriminierung weiter bekämpfen, wenn einem die Worte dazu fehlen?

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