© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die Einhelligkeit der Begeisterung für das „royale Baby“ in Großbritannien ist beeindruckend. Dabei darf man die Bedeutung des Wohlwollens der Massenblätter nicht unterschätzen. Die Unterstützung der veröffentlichten Meinung für das Königshaus war in der Vergangenheit keineswegs selbstverständlich, wirkt aber heute in erstaunlichem Maß systemstabilisierend.

Die Zeit hat einen Artikel veröffentlicht, der sich mit dem sogenannten „Radikalenerlaß“ von 1972 befaßt, der Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst fernhalten sollte. Der Text zeigt vor allem, daß man in den letzten vierzig Jahren nicht dazugelernt hat. Denn der Tenor entspricht ganz der traditionellen Einseitigkeit des Blattes, immer dann, wenn es um Linksextremisten innerhalb wie außerhalb des Staatsdienstes geht. So bleibt außerhalb der Betrachtung: Erstens die objektive Bedrohung der Bundesrepublik durch den Ostblock, der – zweitens – in Gestalt der DKP einen Brückenkopf auf westlichem Boden besaß, der – drittens – auch eine Basis für Spionage und Sabotage bildete. Viertens sympathisierte gleichzeitig ein erheblicher Teil der Meinungsmacher mit dem Kommunismus, wobei man es – fünftens – mit einem sehr breiten Spektrum zu tun hatte (von den Stalinisten und K-Grüpplern bis zur großen Zahl der DDR- und RAF-Versteher).

Nachbemerkung zu dem Zeit-Artikel: Geholfen hat der Radikalenerlaß übrigens kaum, vor allem nicht in bezug auf die Lehramtskandidaten, die als eigentliche Problemgruppe galten; wer in den siebziger oder achtziger Jahren eine westdeutsche Schule besuchte, erinnert sich nicht nur daran, in welcher Frontstellung „Berufsverbote“ diskutiert wurden, sondern auch an die „klammheimliche Freude“ über Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe, die „Systemvergleiche“, die regelmäßig zuungunsten der „BRD“ ausgingen, und an das höhnische Grinsen der Progressiven, falls jemand die von ihnen zuerst so genannte „FDGO“ verteidigte.

Die Rede des US-Präsidenten Barack Obama über eine „postrassische“ Gesellschaft ist Unsinn, und zwar ein gefährlicher. Das Vorhandensein von Rassenzugehörigkeit ist so evident, daß man sie weder durch Zwang noch durch Zureden zum Verschwinden bringen kann, und die sprachlichen Tricksereien werden sich noch bitter rächen.

Nun lösen uns die Chinesen als „Reiseweltmeister“ ab; sei’s drum. Aber wenn sie schon den Titel erben, dann hoffentlich auch die Kritik am rudelweisen Auftreten in der Fremde, dem Mangel an Weltläufigkeit, der Impertinenz, der grotesken Kleidung, dem Fehlverhalten am Büfett, der Neigung zu grundlosem Lärmen.

Daß in einer Monarchie der Geburt von Kindern besondere Bedeutung zukommt, liegt auf der Hand. Allerdings gibt es manche dynastische Niederkunft, die den Gang der Dinge stärker beeinflußt als andere. Die BBC hat eine Liste jener Geburten aufgestellt, die die britische Nation „rockten“ (Kate Williams): die Eduards V., dessen Thronbesteigung die langwierigen „Rosenkriege“ hätte beenden können, der aber gefangengenommen und unter bis heute ungeklärten Umständen im Tower ermordet wurde; die Eduards VI., des von Heinrich VIII. ersehnten Nachfolgers, der aber schon mit fünfzehn Jahren verstarb, was prompt zu neuen Konflikten um die Krone führte; die Geburt Charlottes, der Enkelin Georgs III., für Jahrzehnte der einzige legitime Sproß (bei 56 illegitimen), den dessen Kinder zustande brachten; die Victorias, deren unförmige Gestalt („Westentaschenherkules“ nannte sie der Vater lieblos) und deren Name für erheblichen Unmut sorgten, die keinerlei Aussicht auf den Thron zu haben schien und ihn dann länger innehatte als jeder britische Herrscher bis dahin; die Geburt Elisabeths II., die in einer Zeit der Krise der Monarchie zur Welt kam und auch kaum Chancen auf die Krone hatte, ein Sachverhalt, der sich durch den Amtsverzicht Eduards VIII. radikal verändern und dem Vereinigten Königreich seine heutige Monarchin bescheren sollte.

„Es gibt einen hassenswerten Ehrgeiz und einen anderen, der einzig Großes und Hohes hervorbringt. Jeder Ehrgeiz, der nur darum besorgt ist, sich selbst vorzudrängen, ist abscheulich; jener, dem es darum zu tun ist, die Sache zu fördern, ist die treibende Kraft bei allem Bedeutsamen und Guten.“ (Clemens von Metternich)

Die Times nannte die Namenswahl für den Sohn des Herzogs von Cambridge „entschieden royal“. Das ist insofern zutreffend, als es sich um den häufigsten Königsnamen in der modernen Geschichte Großbritanniens handelt. Trotzdem sei darauf hingewiesen, daß sich die George eins bis fünf nicht besonders ausgezeichnet haben, die mit den Nummern drei und vier das Niveau sogar deutlich senkten und nur die Nummer sechs über allen Tadel erhaben scheint.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 16. August in der JF-Ausgabe 34/13.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen