© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/13 / 02. August 2013

Bald ein Online-Gemischtwarenladen
Erdbeben: Mit dem Verkauf etlicher Zeitungen und Zeitschriften entkernt sich der Axel-Springer-Verlag
Klaus Fritsch

Alt-68er werden ein Feixen nicht unterdrücken. Endlich, endlich zeitigt ihr Kampfruf „Enteignet Springer!“ Wirkung: Mit dem Verkauf eines Pakets von Zeitungen und Zeitschriften, darunter die traditionsreiche Berliner Morgenpost und die Konzerngründungsmarken Hamburger Abendblatt und „Hörzu“, für 920 Millionen Euro an die Essener Funke-Gruppe (WAZ) hat sich der Springer-Verlag selbst zerlegt.

Vorstandschef Mathias Döpfner verabschiedet sich von Print und dem damit verbundenen Journalismus, er forciert mit Zustimmung der Hauptaktionärin Friede Springer seine Internetstrategie. Das von ihm geführte Haus soll der „führende Digitalkonzern“ werden.

Dafür kappt er die Wurzeln des Unternehmens, er entsorgt sie bei der ehemaligen WAZ-Gruppe, die für einen bräsigen Journalismus und einen rigiden Sparkurs bekannt ist. Dort wird schon mal eine Zeitung ohne Redaktion produziert, siehe Westfälische Rundschau.

Aus eigener Kraft könnte sich die Funke-Gruppe, zu der rund 900 Springer-Mitarbeiter wechseln, den Deal mit Döpfner nicht leisten, der Verkäufer in Berlin leiht ihr 260 Millionen, zu günstigen Konditionen. Die FAZ nennt das einen weiteren Schritt bei der Entstehung von Supersystemen: „Es entsteht ein Superregionalzeitungskonzern, und es gibt einen Möchtegern-Superdigitaljournalismuskonzern.“

Daß die digitale Revolution zu neuen Antworten zwingt, leuchtet ein. Doch rechtfertigt das eine Reform mit der Kettensäge? Die jetzt veräußerten Objekte waren keineswegs notleidend, einige kamen auf eine Umsatzrendite von zwanzig Prozent. Und so etwas soll keine Zukunft haben?

Bislang hatte Mathias Döpfner trotz seiner „Online first“-Leidenschaft der gedruckten Zeitung eine Zukunft bescheinigt. Damit ist nun Schluß, wird von Bild und der Welt abgesehen. Für beide hat Friede Springer eine Bestandsgarantie abgegeben – solange sie die Mehrheit an dem Unternehmen halte. Für Bild, die ungeachtet des Auflagenrückgangs weiter eine Geldmaschine ist, mag das gelten, wenngleich in Berlin die Boulevardblätter B.Z. und Bild eins werden.

Für die durch Quersubventionierung am Leben gehaltene Welt ist das eine doppelbödige Aussage. Dort hat das große Zittern eingesetzt. Was ist das Garantieversprechen wert? Friede Springer wird am 15. August 71 Jahre, in der Familie gibt es niemanden, der irgendwann an ihre Stelle treten könnte.

Vielleicht möchte die Gründer-Witwe bald Kasse machen, dann wäre die „Garantie“ Makulatur. Schon heute folgt die Welt dem Döpfnerschen „Online first“-Diktat. Entscheidend sind die Klickzahlen. Relevanz (und Seriosität) der Inhalte spielen eine untergeordnete Rolle. Es gibt längst Planspiele, die gedruckte Welt allmählich auslaufen zu lassen.

Der Ausverkauf bei Springer ist nicht nur verstörend für die Mitarbeiter, er ist auch ein Politikum für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Er hat stets die These verfochten, gerade im Digitalen komme es auf starke, eingeführte Produktmarken an, die Seriosität und Verläßlichkeit garantierten. Print und Internet Hand in Hand, so lautete die Formel.

Daß die plötzlich durch das Haus Springer in Frage gestellt wird, verschlug selbst den an Überraschungen gewöhnten Verlegerfunktionären den Atem. Sie hatten schon mit einem gewissen Unbehagen beobachtet, wie Döpfner im Online-Bereich auf Einkaufstour ging. Immer mehr nichtjournalistische Internet-Portale wanderten zu Springer. Von dem 3,3-Milliarden-Umsatz im Jahr 2012 entfielen 37 Prozent auf den digitalen Bereich. Diesen Anteil möchte Döpfner steigern.

Was hat der Verlagschef mit dem Erlös aus dem Titel-Verkauf an die Funke-Gruppe vor? Wahrscheinlich nichts genuin Journalistisches. Im Gespräch ist noch immer die Übernahme der Scout-Gruppe (Immobilienscout24, Autoscout24), etwas mehr als zwei Milliarden Euro möchte die Telekom dafür haben. Es ist zweifelhaft, ob Döpfner das stemmt. Klappt das Geschäft, ist Springer nur noch ein Gemischtwarenladen, ähnlich wie Burda, wo sogar mit Hundefutter gehandelt wird.

So bleiben Fragen, Fragen, Fragen. Auch die nach der künftigen Zusammenarbeit zwischen der in Berlin verbliebenen Welt und den nach Essen verkauften Blättern Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt. Wie das Handelsblatt berichtet, wird die Welt zukünftig Texte für die Funke-Gruppe liefern.

Daß der Austausch von Texten weitergehen soll, wie eine Springer-Sprecherin erklärte, mag sich für die beteiligten Unternehmen rechnen. Aber es wäre ein weiterer Verlust an publizistischer Vielfalt.

Das Bundeskartellamt prüft den Deal. Daß es das Geschäft unterbindet, dafür gibt es wenig Anzeichen. Als der Titel-Verkauf am 25. Juli publik wurde, erschien die Bild mit der Schlagzeile „Bayern haut Barca weg!“ Eigentlich, bemerkte die Süddeutsche Zeitung einen Tag später, hätte sie am 26. Juli lauten müssen: „Springer haut seine Vergangenheit weg“. Das trifft den Kern der Sache.

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