© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Türkische Justiz verurteilt Militärs wegen Putschplänen
Rache an der alten Garde
Thorsten Brückner

Mit einem letzten Paukenschlag ist Erdogan am Ziel. 15 Jahre nach seiner Gefängnisstrafe und einem schnell wieder aufgehobenen, lebenslangen Politikverbot hat der türkische Premierminister Rache genommen. Die Liste der Verurteilten im Ergenekon-Prozeß liest sich wie das „Wer ist wer“ der alten Türkei: Generäle, Politiker von Atatürks säkularer Volkspartei CHP, republiktreue Journalisten.

Weckte der nun zu Ende gegangene Prozeß auch bei europäischen Verbündeten anfänglich noch berechtigte Hoffnungen auf eine demokratische Normalisierung und eine Zurückdrängung des Militärs, ist längst Ernüchterung über die immer totalitärere Amtsführung Erdogans eingekehrt. Niederknüppeln von Demonstranten im Gezi-Park, Beschränkungen der Meinungsfreiheit, nun die Abrechnung mit mißliebigen Oppositionellen. In den europäischen Hauptstädten tut man so, als würde man davon nichts mitbekommen. Längst sind bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Sacherwägungen einer ideologischen Absichtserklärung gewichen. Daß die Türken die EU-Mitgliedschaft ohnehin längst nicht mehr ernsthaft anstreben und mehr darauf bedacht sind, ihre Rolle als regionale Vormacht im Nahen Osten zu festigen, darf nicht als Entschuldigung für die EU herhalten. Wer in Ungarn die Diktatur heranbrechen sieht, kann nicht mit Erdogans neuer Türkei über eine Vollmitgliedschaft verhandeln.

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