© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Stephen Harper führt mit Pragmatismus seine Konservative Partei zum Erfolg
Der Realo
Thorsten Brückner

Sogar viele Linke sind von ihm begeistert. Seit seinem Amtsantritt 2006 ist es die Mischung aus Pragmatismus und Prinzipientreue, die Stephen Harpers konservative Revolution in Kanada kennzeichnet und die auch für europäische Konservative Anregungen bieten kann. Kaum einer verkörpert die Nation mit dem Ahornblatt im Wappen so wie die 1959 in Toronto geborene Galionsfigur des kanadischen Konservatismus.

Obwohl er als evangelikaler Christ an biblische Werte wie die traditionelle Ehe glaubt, vermied Harper es schweren Herzens, Kämpfe zu beginnen, die aufgrund der gesellschaftlichen Realitäten nicht zu gewinnen sind. Debatten über ein erneutes Verbot der Homo-Ehe, die seit 2005 legalisiert ist, lehnt er ebenso ab wie einen neuerlichen Kulturkampf um ein Abtreibungsverbot. Damit raubt er den linken Medien wichtige Munition und erteilt deutschen „C“-Parteien eine Lehrstunde, deren ökonomisches Profil allzuoft gegenüber Vorwürfen, „gesellschaftspolitisch noch in der Steinzeit zu leben“, in den Hintergrund gerät.

Dennoch unterscheidet sich der 54jährige vom Opportunismus mancher europäischer Konservativer, die auf der Jagd nach Wählerstimmen gerne langgehegte Prinzipien, etwa in der Energie- oder Bildungspolitik, über Bord werfen. Der Thatcher-Bewunderer kennt die kanadische Seele, die sich so sehr von der der US-Amerikaner unterscheidet, gut genug, um zu wissen, daß seine Tories bei gesellschaftlichen Themen nur verlieren können.

Statt dessen setzt er auf konservative Themen, die in Kanada mehrheitsfähig sind: Beim Waffenrecht zeigt Harper ebenso klare Kante wie bei der Stärkung der Meinungsfreiheit und als studierter Ökonom auch in der Haushaltspolitik. Noch in den neunziger Jahren nannte er Kanada einen „europäischen Sozialstaat im schlimmsten Sinn“. Mit seiner Politik der Steuersenkungen und der Defizitreduktion versucht Harper genau das zu ändern. Dadurch ist ihm das von vielen Politikanalysten für unmöglich Gehaltene gelungen: die in dem Land traditionell tief zerstrittenen und bis 2003 in zwei Lager gespaltenen Konservativen in seiner Conservative Party of Canada zu einen.

Privat jedoch, wenn es um seinen christlichen Glauben geht, endet für Harper die Suche nach Kompromissen. Besonders seine legendären Osteransprachen, in denen der studierte Ökonom die Botschaft vom Sühnetod Christi klarer präsentiert als mancher Pastor in seiner Sonntagspredigt, treiben linksliberalen Kanadiern die Zornesröte ins Gesicht.

Nach einer Mitarbeiter-Affäre muß sich Harper in diesem Jahr erstmals mit sinkenden Umfragewerten herumplagen. Dennoch bleibt er das Vorbild für einen prinzipienfesten Konservatismus, der – veränderten gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragend – lieber kleine Veränderungen in Angriff nimmt, als durch Kompromißlosigkeit in der Opposition dahinzudümpeln.

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