© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Merkel an jeder Laterne
Henning Hoffgaard

Wahlkampf mit Fremdschämpotential. In den vergangenen Tagen haben alle Parteien ihre Wahlkampfmotive vorgestellt und ließen dabei kaum ein Fettnäpfchen aus. Den Anfang machte die SPD, die vorsorglich gleich ganz darauf verzichtete, ihren Spitzenkandidaten Peer Steinbrück auf ihren Plakaten abzubilden. Stattdessen: Angela Merkel. Die damit bei den Sozialdemokraten öfter auftaucht als bei ihrer eigenen Partei.

Nicht einmal beim Mindestlohn, eigentlich ein Kernthema Steinbrücks, ließ das Fettnäpfchen auf sich warten. Auf dem entsprechenden Motiv ist ein Gebäudereiniger zu sehen. Daneben der Spruch „Wir für gesetzlichen Mindestlohn“. 8,50 Euro soll der nach Meinung Steinbrücks betragen. Das Problem nur, bei den Gebäudereinigern liegt er derzeit bei neun Euro. Die Union ist da schon professioneller. Junge Leute, sympathische Gesichter, keine Inhalte. Frei nach dem Motto: Was in den vergangenen vier Jahren geklappt hat, kann auch im Wahlkampf nicht schlecht sein. „Gemeinsam erfolgreich“, „Starke Wirtschaft“, „Sichere Arbeit“ und „Solide Finanzen“ verspricht die CDU.

Mehr als zwei Wörter passen ohnehin nicht auf ein Wahlplakat. Als sich ein Journalist erkundigt, welche dieser Plakate nicht auch von der SPD stammen könnten, muß sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erst einmal umdrehen. Die Antwort fällt ernüchternd aus: „Ihnen wird auffallen, daß Sie auf SPD-Plakaten keine freundlichen Menschen finden.“ Immerhin. Die kleinen Parteien setzen dagegen auf Altbewährtes. Die FDP auf „Freiheit“ und „starke Mitte“, die Linkspartei auf „soziale Gerechtigkeit“ oder zumindest das, was sie dafür hält. Zu höheren Steuern fällt der Partei als erstes ein: „Teilen macht Spaß.“ Ob das auch für Bundestagsdiäten gilt?

Zumindest bei den Grünen wurde erkannt, was wirklich zählt: kleine Kinder, alte Damen und ein Rindviech. Auf jedem dritten Plakat finden sich Grundschüler mit großen Augen, die sich offenbar nach eingehender Lektüre dafür entschieden haben, für Energiewende und Kita-Plätze zu werben. Die Alternative für Deutschland (AfD) wiederum setzt erwartunsgemäß vor allem auf die Kritik an der Euro-Rettung. „Mut zur Wahrheit“, heißt es da etwa. Und weiter: „Die Griechen leiden. Die Deutschen zahlen. Die Banken kassieren.“ Den Spaß lassen sich alle Parteien einiges kosten. Die SPD zieht mit 23 Millionen Euro in den Wahlkampf, die CDU mit 20 Millionen, die Linke bietet sechs Millionen auf und Grüne und FDP 5,5 beziehungsweise vier Millionen Euro.

Gerade die AfD-Plakate gefallen offenbar nicht jedem. In Berlin machen sich vor allem Anhänger von Piraten und Linkspartei einen Spaß daraus, Standorte von AfD-Plakaten in der Hauptstadt zu veröffentlichen. Nicht selten werden, natürlich anonym, später Bilder von zerstörten AfD-Plakaten verbreitet. Wahlkämpfer der Alternative für Deutschland werden etwa im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg regelmäßig von Linken angepöbelt und fordern nun Polizeischutz. Die allerdings winkt ab: Zuwenig Personal.

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