© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Weniger Wettbewerb schadet den Kunden
Telekommunikation: Die Hochzeiten von Vodafone und Kabel Deutschland sowie E-Plus und O2 werden von Kartellamt und Bundesnetzagentur kritisch beäugt
Christian Schreiber

Bis vor zwanzig Jahren war der deutsche Telekommunikationsmarkt Sache der Bundespost. Vom Telefonverkehr über das Kabelfernsehen bis hin zum Fernsehsatelliten – alles war in der Hand des staatlichen Monopolisten. Die Privatisierung ab 1994 sollte endlich Wettbewerb bringen. Und anders als bei Bahn, Energie- oder Wasserversorgung profitierten die Kunden tatsächlich.

Doch steht die Branche nun erneut vor einem grundlegenden Wandel? Und was hat der Kunde davon? Das sind die zwei entscheidenden Fragen, die sich bei der geplanten Übernahme von Kabel Deutschland (KD) durch den britischen Vodafone-Konzern und dem angestrebten Aufgehen von E-Plus in O2 stellen. Beide Unternehmen würden sich ideal ergänzen, behauptet KD-Chef Adrian von Hammerstein.

Bis 11. September haben die Aktionäre des größten deutschen Kabelbetreibers Zeit, das Angebot der Briten von 87 Euro je Aktie anzunehmen. Über zehn Milliarden Euro sollen fließen, das scheint lukrativ für die KD-Aktionäre – und Vodafone spart sich teure Investitionen, denn mit dem größtenteils noch von der Bundespost geschaffenen Kabelnetz werden die Briten technisch unabhängig von der Deutschen Telekom, die bislang Teile ihres Netzes an Vodafone vermietet. Zudem bringt KD acht Millionen Haushalte als TV-Kunden und zwei Millionen im Bereich Telefonie/Internet im städtischen Bereich mit.

Das Bundeskartellamt will den Coup „nicht einfach so durchwinken“. Präsident Andreas Mundt kritisiert die geringe Zahl an Kabelanbietern speziell bei Wohnanlagen. Einzige technische Alternative für die Kunden wäre dann oft lediglich das teure Internet/TV-Angebot der Telekom. Das faktische Duopol würde den Wettbewerb erlahmen lassen, denn KD, der bisherige Hecht im Internet-Karpfenteich, hat mit seinen schnellen Anschlüssen zu günstigen Preisen Telekom und Vodafone massiv Kunden abgejagt.

Im Bereich des lukrativen Mobilfunks droht den beiden Branchenführern hingegen Ungemach. Der einstige spanische Staatskonzern Telefónica will mit seiner deutschen Tochtermarke O2 den Anbieter E-Plus vom – ebenfalls früher staatlichen – niederländischen Konzern KPN übernehmen. Die Nummer drei und vier auf dem deutschen Mobilfunkmarkt wären zusammen schlagartig Marktführer. „Die Verringerung von vier auf drei Anbieter ist wettbewerbsrechtlich alles andere als ein Selbstläufer, zumal gerade E-Plus in der Vergangenheit beim Preiswettbewerb besonders aktiv war“, warnt der Kartellamtschef und kündigte wie im Fall Vodafone/KD eine umfangreiche Prüfung an.

Genehmigt werden muß das Geschäft auch von der Bundesnetzagentur, die sich einen „Widerruf der betroffenen Frequenzzuteilung“ vorstellen kann. Die Vergabe der GSM- und UMTS-Mobilfunksendelizenzen sei an „wettbewerbliche Unabhängigkeit“ geknüpft worden. O2 und E-Plus zusammen hätten eine fast doppelt so gute Frequenzausstattung wie Telekom und Vodafone – ohne auch nur einen einzigen Euro in neue Infrastruktur zu investieren. Telefónica argumentiert, so könne man „Versorgungslücken“ beheben.

Steigende Preise sind durch die Reduzierung der Anbieterzahl zunächst nicht zu erwarten, denn bestehende Verträge müssen bei Fusionen weiter erfüllt werden. Doch was ist nach der Regellaufzeit von 24 Monaten? In den vergangenen Jahren ist Internet und Telefonieren in Deutschland – wie überall auf der Welt – immer billiger geworden. Diese Entwicklung könnte nun allerdings gebremst werden – und das ist der wahre Grund für die Fusionsankündigungen. „Es ist unsicher, daß die Kunden von der Fusion von O2 und E-Plus profitieren werden“, sagte Telekom-Experte Torsten Gerpott, Professor an der Uni Duisburg-Essen, dem Handelsblatt. Die Erfahrung zeige, daß in einem Markt mit etwa drei gleich starken Anbietern „ein Wettbewerb bis aufs Blut ausbleibt“.

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