© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Lockerungsübungen
Rekord Bundestagswahl
Karl Heinzen

Die Bürger sind mehrheitlich mit Angela Merkel zufrieden, es gibt keine Wechselstimmung, und die neuesten Umfragen zeigen, daß nach dem 22. September vielleicht sogar eine Große Koalition vermieden werden kann.

Für Spannung am Wahlabend dürfte dennoch gesorgt sein. Gerade weil das Rennen zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer gelaufen zu sein scheint, der FDP der Wiedereinzug ins Parlament gelingen dürfte und den Protestparteien die Protestwähler ausgehen, stehen die Chancen gut, daß mehr Bürger denn je den Wahllokalen fernbleiben. Vor vier Jahren enthielten sich 18,1 Millionen Deutsche ihrer Stimme, das war bereits ein einsamer Rekord. Sind es diesmal bloß ein paar hunderttausend mehr, ist auch der Schwellenwert von 70 Prozent Wahlbeteiligung unterschritten.

Ein Alarmzeichen für die Demokratie ist dies nicht per se. Einer Forsa-Studie zufolge sind es gerade einmal 14 Prozent der Nichtwähler, die sich seit vier Urnengängen oder mehr einer Stimmabgabe verweigern. Sie dürften unserer Verfassungsordnung aber überwiegend nicht feindselig gegenüberstehen, sondern bloß den Eindruck haben, daß alles auch ohne ihre Mitwirkung zufriedenstellend läuft. Die meisten Bürger, die sich der Stimme enthalten, empfinden sich laut Forsa als „Wähler auf Urlaub“, und ihre politische Heimat ist nicht irgendein Extrem, sondern die Mitte. Vielleicht fällt ihnen, da alle relevanten Parteien zu dieser drängen, die Entscheidung schwer oder sie gehen davon aus, daß, wer immer auch gewinnt, sowieso in ihrem Sinne regiert wird.

Nachdenklich stimmt allerdings das geringe Wissen der Bürger um die Sachfragen, die auf der Tagesordnung stehen. Nur ein Drittel der Wähler versteht, was die Politiker ihnen zu diesen vorschlagen, bei den Nichtwählern ist der Anteil noch geringer. Offenbar wissen Politiker ja auch ohne ein Wählervotum, was zu tun ist.

Das Wesen der repräsentativen Demokratie ist es aber auch gar nicht, Entscheidungsprozesse durch die Beteiligung der Bürger zu optimieren. Sie ist vielmehr ein Instrument der Massenpsychologie, das den Menschen das Gefühl vermittelt, in einer legitimen Ordnung zu leben, da sie durch ihre Stimmabgabe mitbestimmen. Wenn den Bürgern bewußt wird, daß sie gar nicht wissen, worum es geht und letztlich blind entscheiden, ist diese Legitimation bedroht.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen