© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/13 / 09. August 2013

Kampagne gegen Dokumente
Duisburg: Streit um eine Schulchronik
Nils Wegner

Am Duisburger Steinbart-Gymnasium herrscht dicke Luft. Der Grund: Schüler des Abiturjahrgangs wollen in einer inoffiziellen Schulchronik, die vom Ehemaligenverein an Abiturienten verschenkt wird, Zeitzeugenberichte mit unkommentierter „nationalsozialistischer“ Terminologie ausgemacht haben.

Das mediale Sprachrohr der engagierten Absolventen, der 18jährige Leon Wystrychowski, nahm daraufhin mit der jüdischen Gemeinde, dem Duisburger Netzwerk gegen Rechts und der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ Kontakt auf. Die Folge ist eine seit Mitte Juli laufende konzertierte Aktion gemeinsam mit der Linkspartei gegen den Ehemaligenverein, sein Buch und die mit ihm verteilte Albertusnadel, ein Zeichen der Patenschaft Duisburgs mit dem ostpreußischen Königsberg.

Für Wystrychowski jedoch symbolisiert die Nadel, „die ansonsten nur von Burschenschaften und Vertriebenenverbänden verteilt“ werde, „Revanchismus und altdeutschen Nationalismus“. Im Verbund mit der Chronik „Das Steinbart-Gymnasium zu Duisburg 1831 bis 1981“ rechtfertige sie den Vorwurf der „Geschichtsverfälschung“ gegen die Schule und ihren Ehemaligenverein. Zeitzeugen erinnern sich im Buch, wie knapp 40 Schüler „in edler Begeisterung“ freiwillig in den Ersten Weltkrieg gezogen seien. Hinsichtlich der Zwischenkriegszeit wird an „die schmachvollen Jahre des kommunistischen Aufstandes“ gemahnt, im weiteren Verlauf auch an den „Terrorangriff vom 13. Mai 1943“, die (so Wystrychowski) „angebliche Vertreibung der Deutschen“ sowie die „Katastrophe von 1945“ als „schwerstes deutsches Volksschicksal“. Den Schülern zufolge alles „nazi-freundliche Passagen“; daß es sich um Zeitdokumente handelt, wollen sie nicht gelten lassen.

„Dieses Buch unkommentiert zu verteilen ist unverantwortlich“, so Wystrychowski gegenüber der Regionalzeitung Der Westen. Das Neue Deutschland bescheinigt ihm, bereits unmittelbar nach dem Abitur „ein gefragter Mann“ zu sein, und in der Tat hat sich selbst der WDR in einer „Aktuellen Stunde“ bereits des Themas angenommen. Man sah den Kommissarischen Schulleiter sowie den Vorsitzenden des Ehemaligenvereins, die dem Abiturienten für sein Engagement dankten. Die Albertusnadel soll fortan nicht mehr verteilt werden, und das Buch wird einer gründlichen Revision unterzogen.

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