© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Und ewig locken Geld und Gold
Einwanderungsland Afrika: Europäer und vor allem Chinesen suchen ihr Heil auf dem schwarzen Kontinent
Marc Zöllner

Sie sprachen kein Englisch, konnten weder lesen noch schreiben als sie von den Sondereinsatzkommandos der Polizei im westafrikanischen Ghana festgenommen wurden. Drei Wochen dauerte die vom Präsidenten des Landes, John Mahama, höchstpersönlich geleitete Razzia gegen die illegalen Einwanderer. Die Anklage: Raubbau an den Bodenschätzen des Landes, unkonzessiertes Betreiben von Goldminen, Zerstörung der Umwelt.

Allein zwischen dem 14. Mai und dem 6. Juni wurden über 169 von ihnen aufgegriffen, Hunderte weitere, so vermutet man, verstecken sich seitdem noch immer in den unwegsamen Bergregionen im Norden des Landes.

Doch was die ghanaische Gesellschaft seitdem tatsächlich in Aufruhr versetzt, ist die Herkunft der illegalen Schürfer. Sie stammten nicht, wie ursprünglich vermutet, aus den verarmten afrikanischen Nachbarstaaten, sondern aus dem fernen Guangxi, der zweitgrößten Provinz Südchinas.

Seit den Unabhängigkeitsbewegungen gegen die ehemaligen Kolonialherren war Schwarzafrika lange Zeit lediglich bekannt für seine Migrationswellen. Einwanderung nach Afrika ist jedoch ein modernes Phänomen, mit welchem nicht nur Ghana seit wenigen Jahren zu kämpfen hat. Dabei zieht es nicht allein die Chinesen nach Afrika. Seit der neuen Weltwirtschaftskrise wandern auch immer mehr Europäer in die ehemaligen Kolonien aus, um Arbeit und Lebensunterhalt zu finden.

Ein Trend, welcher sich besonders in Südeuropa ankündigt. Über 68.000 Portugiesen, so aktuelle Schätzungen der Weltbank, leben mittlerweile dauerhaft im ostafrikanischen Mosambik und bilden dort nach den Südafrikanern bereits die zweitgrößte ethnische Minderheit. Auch in Angola leben mittlerweile 20.000 Portugiesen. Sie bilden seit 2012 wieder die zweitgrößte ethnische Minderheit in Angola. Südafrika wiederum gilt als Traumland für Deutsche, von denen rund 100.000 Bürger und über 600 Firmen ihren Hauptsitz am Kap haben. Mit etwa 11.000 Menschen stellen die Franzosen die größte nichtafrikanische Diaspora im Kongo, und neben den klassischen Ausreiseländern Lateinamerikas gewinnt auch Nordafrika immer mehr an Reiz für spanische Jugendliche. Doch nicht immer erfolgt die Ausreise freiwillig.

„Ich glaube, die Regierung will uns einfach nur rauswerfen“, erzählt ein arbeitsloser junger Spanier dem spanischen Netzwerk „Juventud sin futuro“, zu deutsch: Jugend ohne Zukunft. Während der Eurokrise stieg die Arbeitslosigkeit in Spanien auf über 26 Prozent an, jene unter jungen Menschen sogar auf über 55 Prozent. Die Frustration über die ökonomische Entwicklung zeigte Wirkung: Allein im Jahre 2012 entschlossen sich rund 280.000 Spanier, ihre Koffer zu packen und auszuwandern.

Während die meisten europäischen Auswanderer in Afrika in der Hoffnung auf ein lebenswürdiges Einkommen, auf feste Jobs und eine Zukunft für ihre Familien bauen, zählen für China insbesondere handfeste Werte: Ressourcen für die wachsenden Industrien sowie Benzin und Gas für den Erhalt der eigenen Infrastruktur.

Erdölnationen wie Angola mit seinem jährlichen Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent stehen vor allem auch für Peking besonders im Fokus. Rund 260.000 Chinesen leben bereits im Hinterland Luandas, das Dreizehnfache im Vergleich zu den Portugiesen. Nach Südafrika mit seinen über 350.000 Sino-Afrikanern profitiert das westafrikanische Land somit besonders von Investitionen und Wirtschaftshilfen aus dem Reich der Mitte.

Allein die semi-staatliche Bank China International Fund garantierte Angola in den letzten Jahren niedrig verzinste Kredite in Höhe von umgerechnet bis zu acht Milliarden Euro. Zudem errichtete Peking auf Eigenkosten Fußballstadien, Straßenzüge und Wohnkomplexe in Angolas Hauptstadt Luanda. Zum Dank löste Angola bereits im Frühjahr 2010 Saudi-Arabien als Chinas größter Erdöllieferanten ab. Rund 640.000 Barrel des schwarzen Goldes werden seitdem tagtäglich von Luanda aus ins Reich der Mitte verschifft.

Mit Mammutprojekten und Milliardenkrediten für afrikanische Diktaturen und Ölnationen gefällt sich China sichtlich in seiner Rolle als uneigennütziger Gönner.

Ein Opernhaus mit 1.400 Sitzen für Algeriens Hauptstadt Algier, eine Schuhfabrik im Wert von anderthalb Milliarden Euro in Äthiopien, ein olympiageeignetes Sportstadion für die Streitkräfte Ghanas, gestiftet vom chinesischen Rüstungskonzern Poly Technologies Inc.: Das alles soll China das Wohlwollen der afrikanischen Herrscher sichern. Enge wirtschaftliche Beziehungen auf dem Energiesektor mit dem Partnerland Malawi

Tatsächlich fließen über ein Drittel der direkten Investitionen Chinas in Afrika in den Bergwerkssektor, lediglich 15 Prozent kommen dem Aufbau einer in Afrika heimischen Industrie zu. Das gilt allerdings auch für die Vereinigten Staaten, wie deren Kritiker aus Peking vorrechnen: Bei den von den USA im Jahre 2011 investierten 45 Milliarden Euro fanden 59 Prozent im Rohstoffsektor ihre Verwendung, lediglich sechs Prozent im Bau neuer Fabriken.

Wo Europäer und Amerikaner zumindest auf die Verknüpfung von Investitionen und Menschenrechten beharren, zieht China offen blank. Beispielsweise im südafrikanischen Sambia, wo bereits über 80.000 Chinesen im Kohlesektor arbeiten und es im vorigen Jahr zu massiven Unruhen zwischen den autochthonen Einwohnern und chinesischen Migranten kam. Aufgrund von Lohndumping weit unter den gesetzlich verankerten Mindestlöhnen erschlugen aufgebrachte Bergwerkskumpel dort ihre chinesischen Vorarbeiter.

Auch im benachbarten Simbabwe werden unter den heimischen Arbeitern immer neue Klagen über 14-Stunden-Schichten, vorenthaltene Löhne und offene Mißhandlungen bis hin zu brutaler Gewalt seitens des chinesischen Aufsichtspersonals laut. Und im westafrikanischen Ghana, wo mittlerweile 30 Prozent des jährlich abgebauten Goldes illegal von chinesischen Einwandereren geschürft werden, versucht die Regierung erstmalig, das dichte Netzwerk aus fernöstlichen Menschenschmugglern und schwarzafrikanischen Lohnsklaven zu zerschlagen.

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