© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Lüderitz heißt jetzt !Nami Nûs
Namibia: Änderungen deutscher Ortsnamen sorgen im ehemaligen Deutsch-Südwest für Unverständnis und Unmut
Yorck Tomkyle

Namibia ist insbesondere bei deutschen Touristen sehr gefragt. Seit Jahren liegt es bei den beliebtesten Fernreisezielen der Deutschen auf den vorderen Rängen. Bei Namen wie Windhoek, Swakopmund oder Etosha schwingen immer Freiheit, Abenteuer und auch ein wenig Vertrautheit mit.

Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwest, übte bereits während der Kolonialzeit eine große Anziehungskraft auf die Deutschen aus, so daß die „Sandbüchse“ nicht nur die meisten deutschen Einwanderer aller Kolonien des Reiches zählte, sondern deren Nachfahren trotz der Irrungen und Wirrungen des letzten Jahrhunderts zum großen Teil immer noch dort leben.

Nachdem in den vergangenen Jahren zunehmend deutsche Straßennamen namentlich in Swakopmund und Windhoek der Tendenz zum Opfer fielen, das Erbe der deutschen Kolonialzeit Stück für Stück zu tilgen, wurde jetzt von der Regierung zum ganz großen geschichtspolitischen Wurf ausgeholt: Neben ganzen Regionen wie dem nach dem damaligen deutschen Reichskanzler Leo Graf von Caprivi benannten Streifen im nordöstlichen Namibia wurde auch die Gründerstadt Lüderitz umbenannt.

Während bei der bisher gängigen Praxis vor allem auf Namen von afrikanischen Freiheitskämpfern zurückgegriffen wurde und die Verantwortlichen ebenfalls keine Berührungsängste mit – eigentlich ebenfalls kolonial kontaminierten – englischen Bezeichnungen hatten, verlegt man sich auf Regierungsebene nun offenbar darauf, die neuen Namen aus den Sprachen der verschiedenen Volksstämme zu rekrutieren.

Wenn man allerdings weiß, daß manche dieser Sprachen rein technisch lediglich von Muttersprachlern und einigen wenigen Experten gesprochen werden können, dann ahnt man, welche Probleme auf die große Mehrheit der Bewohner Namibias zukommen werden, wenn sie den neuen Namen von Lüderitz aussprechen will – die Stadt heißt nun !NamißNûs.

Das ist die Sprache der Khoisan, einer heterogenen Bevölkerungsgruppe, die sich aus drei Großgruppen zusammensetzt (den Damara, den Nama und San) und insgesamt etwa zehn Prozent der Bevölkerung des Landes ausmacht. Letztlich ist es die Sprache der Buschmänner, der durch die später eingewanderten und kolonisierenden Bantuvölker marginalisierten Urbevölkerung des südlichen Afrika.

Sprachwissenschaftler gaben dieser Sprache eine Schrift, die sich für das konventionelle Auge etwas gewöhnungsbedürftig liest.

Das entscheidende Hindernis beim Sprechen sind jedoch die vielen Schnalz- und Klicklaute, die sich in ihren feinen Abstufungen kaum erlernen lassen und unerläßlich sind für die Kommunikation, da sie den Wörtern ihre inhaltliche Bedeutung verleihen.

Die Konsequenz für die Menschen in Lüderitz besteht daher darin, daß kaum einer von ihnen den neuen Namen seiner Heimatstadt auszusprechen vermag. Da tröstet es auch nicht, daß der letztlich verantwortliche Präsident des Landes, Hifikepunye Lucas Pohamba, den Namen in einem NBC-Interview ebenfalls nicht aussprechen konnte und sich dadurch zur Lachnummer in diversen Internet-Foren machte.

Nicht nur die Bewohner der Stadt laufen daher mittlerweile Sturm gegen den neuen Namen, es gibt auch internationalen Protest, der sich über soziale Netzwerke wie Facebook artikuliert.

Namibias Regierung sollte sich, so der grundlegende Tenor, weniger mit derart absurder Symbolpolitik und dafür mehr mit dem Erhalt des eigentlichen kulturellen Erbes der Khoisan-Völker beschäftigen.

Die deutschstämmigen Einwohner des Landes betrachten diese Entwicklungen besonders kritisch, da sie ihr kulturelles Erbe ebenfalls bedroht sehen und die Maßnahmen der Regierung sich in eine Politik einfügen, die eine stetige Zurück- und letztlich Verdrängung des weißen Bevölkerungsanteils in Namibia verfolgt.

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