© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/13 / 23. August 2013

Schuld sind bestimmt die Eichhörnchen
Das Sommerloch läßt grüßen: Ein Nadelwald in Kirgistan sieht aus der Vogelperspektive wie ein Hakenkreuz aus
Thorsten Thaler

Wieder haben fleißige Gutmenschen einen ausgewachsenen „Naziskandal“ ans Licht der demokratischen Öffentlichkeit gezogen. Im mittelasiatischen Kirgistan, einer ehemaligen Sowjetrepublik, blüht und gedeiht – so lesen wir voller berechtigter Empörung in der deutschen Qualitätspresse – ein Nadelwald, welcher aus der Vogelperspektive wie ein Hakenkreuz aussieht! Zwar geistert der Wald schon seit 2006 immer wieder mal durch die Medien, aber jetzt füllt er das Sommerloch. Das Verbrechen war ja auch gar zu schlimm. Transparenz tut not.

Es hat nun ein großes Rätselraten darüber eingesetzt, wer für die Untat verantwortlich war. Waren es deutsche Kriegsgefangene, die einst bis ins ferne Kirgisien verbracht worden waren und sich nun dort irgendwie beschäftigen wollten? Oder war es ein kirgisisch-mongolischer sowjetischer Oberförster, der in seiner Freizeit heimlich Tannenzapfen aussäte, um seiner inneren Opposition gegen die vorgesetzte Behörde Ausdruck zu verleihen? Doch wie will er das denn geschafft haben? Man denke: Ein ganzer großer Wald!

Als plausible Erklärung bleibt letztlich nur, daß es die vielen kirgisischen Eichhörnchen gewesen sein müssen, die das Verbrechen begingen. Die kennen sich im Verscharren von Tannenzapfen aus, und vielleicht wußten sie, daß Hitler eine streng ökologische, eichhörnchenfreundliche Umweltpolitik befürwortete, und wollten sich dafür erkenntlich zeigen. Denen gehört heute also wirklich der Prozeß gemacht. Will heißen: abmurksen, alle abmurksen. Was sein muß, muß sein.

Möglicherweise läßt sich der Fall aber auch auf elegante Art lösen. Man blicke nach Kassel, wo soeben der Ereigniskünstler Jonathan Meese, der mehrfach den Hitlergruß gezeigt hatte, von einem Gericht freigesprochen wurde. Es habe sich, sagte die Richterin, um eine bloße „Performance“ gehandelt, und so etwas falle unter die Kunstfreiheit. Warum sollte den Eichhörnchen von Kirgistan nicht billig sein, was Meese recht war? Sie haben mit ihren Tannenzapfen lediglich eine Performance ausgelegt.

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