© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Bernd Lucke wartet auf Post
Alternative für Deutschland: Der Sprecher der Euro-kritischen Partei verlangt von der Bundesregierung Einblick in Akten zur Rettungspolitik
Marcus Schmidt

Bernd Lucke geht gerne zu Fuß. Wenn der Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD) in Berlin einen Termin im Haus der Bundespressekonferenz hat, was in den vergangenen Monaten häufiger der Fall war, geht er die wenigen hundert Meter vom Hauptbahnhof zu Fuß. Alleine, ganz ohne Personenschutz. Das war auch am Montag nicht anders als sonst, trotz des Angriffes von Linksextremisten auf Lucke auf einer Wahlkampfveranstaltung in Bremen (siehe Seite 9). So leicht läßt sich der AfD-Chef nicht aus der Ruhe bringen, lautet die Botschaft.

Etwas verärgert war Lucke trotzdem. Denn seit Wochen schon wartet er vergeblich auf Post von der Bundesregierung. Anfang Juni hatte der Wirtschaftswissenschaftler sowohl die Regierung als auch die Bundesbank angeschrieben und darum gebeten, alle Dokumente und Studien einsehen zu dürfen, die im Zusammenhang mit alternativen Szenarien zur Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung stehen. Grundlage hierfür ist das Informationsfreiheitsgesetz, das den Anspruch der Bürger auf den Zugang zu amtlichen Papieren regelt. „Die Währungs- und Staatsschuldenkrise ist eines der wichtigsten Themen, über die bei der Bundestagswahl entschieden werden muß“, sagte Lucke zur Begründung für seinen Vorstoß.

Er ist überzeugt, daß die entsprechenden Stellen alle denkbaren Möglichkeiten durchgespielt haben, bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel die dann eingeleitete Euro-Rettungspolitik für „alternativlos“ erklärt hat. Zu diesen anderen Möglichkeiten gehörten nach Ansicht Luckes das Ausscheiden Griechenlands oder mehrerer südeuropäischer Länder aus dem Euro oder sogar die Wiedereinführung der D-Mark in Deutschland. All dies müsse Merkel vorher geprüft haben, sagte der AfD-Chef am Montag vor Journalisten.

Doch bis auf eine Eingangsbestätigung aus dem Bundeskanzleramt und dem Hinweis, daß eine entsprechende Auskunft Lucke 500 Euro Gebühr kosten würde, sowie einem Brief von der Bundesbank blieb Luckes Briefkasten leer. Das Geldinstitut bestätigte Lucke immerhin, daß alternative Überlegungen angestellt wurden. „In diesem Zusammenhang hat die Deutsche Bundesbank auch einen Krisenstab eingerichtet und seinerzeit diskutierte Szenarien in der Finanz- und Staatsschuldenkrise bewertet“, heißt es in dem Schreiben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Nähere Auskünfte könnten indes nicht erteilt werden.

Nun hofft der AfD-Sprecher darauf, daß der Bundespräsident Druck auf die Regierung ausübt. In der vergangenen Woche hat er Joachim Gauck einen Brief geschrieben und auf die ausstehenden Antworten hingewiesen. Verbunden mit der Bitte, auf die entsprechenden Bundesbehörden einzuwirken und damit „ein wichtiges Zeichen für wahre Demokratie, Transparenz und die Mündigkeit des Wählers“ zu setzen.

Unterdessen hat die AfD angesichts der Diskussion um ein drittes Hilfspaket für Griechenland eine Petition gestartet, in der der Bundestag aufgefordert wird, „keine weiteren Hilfskredite, Schenkungen oder Stundungen für Griechenland“ aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Bis zum Dienstag hatten knapp 16.000 Bürger die Petition im Internet unterzeichnet. Für Lucke ein weiteres Zeichen dafür, daß sich seine Partei im Aufwind befindet: Seit etwa zwei Wochen wachse der Zuspruch für die AfD an den Wahlkampfständen merklich. „Die Bürger kommen auf uns zu“, berichtet Lucke.

Die Umfragen der vergangenen Tage, in denen die AfD wieder bei zwei bis drei Prozent liegt, scheinen Lucke recht zu geben. Von „Informanten“ in den Umfrageinstituten wisse er zudem, daß die Werte eigentlich noch höher seien. So liege die AfD bei Forsa sogar bei acht Prozent, bei Allensbach „deutlich über fünf Prozent“. Von Manipulationen wolle er nicht sprechen. Die Institute seien schließlich immer auch ihren Auftraggebern verpflichtet.

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