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36/13 / 30. August 2013
CD: Hans Pfitzner
Nicht einzuordnen
Jens Knorr
Das Lied soll schauern und beben“ – die Verszeile Heines hat Hans
Pfitzner seinem Opus 1 vorangestellt. Und wirklich schauert und bebt,
tremoliert und sequenziert sich’s durch alle vier Sätze der Sonate
fis-Moll für Violoncello und Klavier. Die hat der 21jährige 1890 nach
Abschluß seiner Studien am Hochschen Konservatorium komponiert. Und
wirklich mäandert die Melodiestimme der Sonate e-Moll für Violine und
Klavier op. 27 über hochwollenden Läufen und Arpeggien des Klaviers
durch Nacht zum Licht, indessen der langsame, der Mittelsatz, den
Liebestod stirbt.
Die Violinsonate schließt Pfitzners Straßburger Zeit ab, als er nach der
französischen Besetzung Elsaß-Lothringens Heimat und Direktionsposten
des Städtischen Konservatoriums lassen mußte. Und wirklich führen sich
die Sechs Studien für das Pianoforte op. 51 von 1942 wie verirrte
Abkömmlinge Schumannscher Charakterstücke auf, die nicht wahrhaben
wollen und können, daß es mit der Romantik bald ein Jahrhundert schon zu
Ende gegangen. Im Jahr 1942 mit mancherlei anderem auch.
Alle drei Stücke finden sich auf einer CD, die als Jahresgabe der
Hans-Pfitzner-Gesellschaft mit Sitz in München gereicht wird. Die
Einspielung durch Reinhold Johannes Buhl, Violoncello, Heidrun Sandmann,
Violine, und Ulrich Urban, Klavier, ist gediegen, einen inneren
Zusammenhang vom Früh- zum Spätwerk, wie der ambitionierte Titel
verheißt, vermögen sie nicht zu stiften, es sei denn im Stillstellen,
und wie sollte das anhand dreier Nebenwerke unter Auslassung eines der
Hauptwerke auch gelingen. Die Schülerarbeit ist dem Vorbild Brahms
verpflichtet, die Erholungsarbeit nach dem „Palestrina“
musikästhetischen Prämissen des Publizisten Pfitzner und damit eher
stumpfer Waffen Wehr gegen die „Futuristengefahr“. Die späten
Klavierstücke verdichten nicht etwa Prelude oder Etude zu
exemplarischen, letzten Gattungszeugen: die Gattung selbst bietet ihnen
nur noch löchriges Gehäuse. Doch vermögen die leerlaufenden Studien, in
denen ein Siebzigjähriger auf seiner Zugehörigkeit zu einer vorvorigen,
wenn auch großen Zeit beharrt, auch den anzurühren, der die von Pianist
Urban und Produzent Pachl gesprächsweise unterstellten
gesellschaftlichen Implikationen im Notentext beim besten Willen nicht
zu entdecken vermag, und ebenso nicht in der Interpretation.
Während ein anderer, Wilhelm Furtwängler, als Komponist in
gigantomanischer Anstrengung mit jedem seiner Werke die Gattung zu
übergipfeln trachtet und ihm ein jedes unter der Hand zu einem Zeugen
des Scheiterns an der Gattung gerät, hält der eine, Hans Pfitzner,
dagegen, daß Komponieren wie noch im 19. Jahrhundert ginge, und betreibt
seine Art romantischer Friedhofsverwaltung, wo jedes neue Stück
probeliegen kommt.
Wolfgang Rihm hat 1981 die geringe heutige Popularität von Pfitzners
Werk damit zu erklären versucht, daß wir „nicht auf den ersten Blick das
gebrochen Heutige in seinem Werk, aber auch nicht das ungebrochen
Gestrige“ fänden: „Wir finden beides – also keines, und dies läßt
Einordnungsversuche stocken.“
Alles, was nicht einzuordnen ist, ist wirklich.
Hans Pfitzner: Vom Früh- zum Spätwerk Thorofon / Bella Musica Edition,
www.XYZ.de
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