© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

„Aus Stolz ersticke alle Klage“
Muse der Romantik: Zum 250. Geburtstag von Caroline Schlegel-Schelling
Andreas Zöllner

In gleichmäßigem Abstand zueinander schauen die Bronzebüsten der Schlegel-Brüder August Wilhelm und Friedrich und Caroline Schlegel-Schellings von ihren Sockeln im Garten des Jenaer Romantikerhauses. Die Frau, die verbindend zwischen den Männern wirkte, steht hier ganz außen. Sie war der Genius und die Seele dieses Kreises, der eins war mit dem von ihr geführten gastlichen Haus.

Vor ihrer Ehe mit August Wilhelm Schlegel lag ein stürmisches Abenteuer. 1792 war die junge Witwe mit ihrer Tochter Auguste nach Mainz gezogen, wo Therese Huber, eine Jugendfreundin unter den Göttinger „Universitätsmamsellen“, als Ehefrau von Georg Forster lebte. Nach der Kapitulation der Republik wurde die „ein Kind der Glut und Nacht“ in sich tragende Caroline in Haft genommen. Wilhelm von Humboldt und Goethe setzten sich für ihre Freilassung ein. Der getreue Freund August Wilhelm Schlegel war es, der sie abholte und sich um sie kümmerte. Drei Jahre später heiraten die beiden.

1803 wird sie dann mit dem geliebten, zwölf Jahre jüngeren Schelling über Würzburg weiter nach München gehen. Den Dispens für die Ehe mit Schlegel erlangt sie beim Weimarer Herzog durch Fürsprache Goethes, der sich ihr zeitlebens außerordentlich zugeneigt erwies.

Caroline war die 1763 geborene Tochter des Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis, der seinerseits wiederum der Lehrer von Schellings Vater war. Darüber hinaus wurde Michaelis sozusagen zum Stein des Anstoßes für den Sturm und Drang. Denn seine Mutmaßungen über die Entstehung der Sprachen weckten den Einspruch des Magus im Norden, Johann Georg Hamann. Was Hamann 1762 mit seiner „Aesthetica in Nuce“ kündet, weist Herders und Goethes Dichtung den Weg. Nach unterirdischem Fortwirken bricht es dann im Denken und Fühlen der jungen Generation der Romantiker wieder machtvoll ans Licht. Caroline ist mit ihrem ganzen Wesen der leibliche Bürge dieser Zusammenhänge.

Zeit ihres Lebens wird sie von der Nachrede ihrer weniger glanzvollen und geistreichen Geschlechtsgenossinnen verfolgt. Sie war nicht nur gebildeter und anmutiger als die meisten von ihnen, sie besaß auch eine Herzensklugheit, die im Bösen wie Guten herausforderte. Sicher war sie kokett, aber gewiß nicht leichtfertig. „Auf ihre Freundschaft habe ich nie gerechnet – es gibt keine unter Weibern“, schreibt sie über ihre Jugendgefährtin Therese Forster.

Auch von Dorothea Veit, die in der Jenenser Wohngemeinschaft ihren Mann Friedrich Schlegel gegen sie aufzuhetzen weiß, hatte sie einiges zu erdulden. Aus dem geistigen Ringen mit Charlotte von Schiller, von der sie als luziferischer und böser Dämon verlästert wurde, ist sie als Siegerin hervorgegangen und hat damit indirekt die romantische Schule mehr Goethes Denken zugeneigt gemacht. Nach Goethescher Entsagung schmecken auch ihre Worte: „Ich habe mich nun einmal fest überzeugt, daß aller Mangel, alle Unruhe aus uns selbst entspringen – wenn Du nicht haben kannst was Du wünschest, so schaff Dir etwas anders – und wenn Du das nicht kannst, so klage nicht – nicht aus Demut, aus Stolz ersticke alle Klage.“

Dem Drängen, selbst mit einem Werk hervorzutreten, gibt sie nie nach. Ihr Verstand und ihr Gefühl dagegen ist in viele Werke mit eingegangen. So hat sie August Wilhelm Schlegel bei seinen Shakespeare-Übertragungen beigestanden. Als anonyme Rezensentin legt sie eine schneidende Präzision an den Tag. Als sie 1809 an Typhus stirbt, läßt sie einen niedergeschlagenen Schelling zurück. Auf den Obelisken ihres Grabes läßt er die Worte anbringen: „Gott hat sie mir gegeben, der Tod kann sie mir nicht rauben“. Mit „Clara. Oder Über den Zusammenhang der Natur- mit der Geisterwelt“ verfaßt er unter diesem Eindruck seine eigene Unsterblichkeitslehre.

Im C. H. Beck Verlag ist dieses Jahr die Biographie „Caroline Schlegel-Schelling. Das Wagnis der Freiheit“ von Sabine Appel erschienen.

Das Romantikerhaus in Jena, Unterm Markt 12, zeigt bis zum 13. Oktober die Ausstellung „Lebensspuren – Caroline Schlegel und Ricarda Huch in Jena“ täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr. Telefon: 0 36 41 / 49 82 49

www.romantikerhaus.jena.de

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