© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/13 / 30. August 2013

Erst sterben die Bienen, dann die Menschen
Der Todeskampf eines Nutztiers vollzieht sich im Schatten des Streits zwischen Ökologie und Wirtschaft
Falko Schultz

Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, soll Albert Einstein einmal gesagt haben. Ungeachtet möglicher Zweifel an dessen Urheberschaft verzichtet kaum einer der Kassandrarufe, die den Todeskampf der Bienenvölker in Europa und Nordamerika beschwören, auf diese düstere Prognose. Sie als Panikmache abzutun, besteht leider kaum Anlaß. Denn unstrittig gewährleisten Wild- und Honigbienen als Bestäuber Hunderter Kulturpflanzen unsere Nahrungssicherheit, und ebenso unstrittig droht ihnen vielerorts der Artentod.

Einen Vorgeschmack gab 2008 das große Sterben am Oberrhein. Betroffen waren 12.000 Bienenvölker sowie die Wildbienen, deren mutmaßlich hohe Verluste aber unerforscht blieben. Seither registrieren Umweltschützer den dramatischen Rückgang des nach Rind und Schwein wichtigsten Nutztiers des Menschen. Als hauptverdächtige „Bienen-Killer“ gelten die in den siebziger Jahren nach Europa eingeschleppte asiatische Varroamilbe (Varroa destructor), agrarische Monokulturen, die Bienen ihrer Nahrungsgrundlage berauben, sowie diverse Pestizide (JF 20/13).

Greenpeace oder der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) führen die Bestandseinbrüche auch auf Neonicotinoide zurück. Das sind Nervengifte, die zur Beizung von Saatgut verwendet oder direkt auf die Pflanze gespritzt werden, um Schädlinge wie die kleine Kohlfliege, den Rapserdfloh oder den Maiswurzelbohrer (JF 48/12) zu eliminieren. Doch auch die Bienen nehmen die Gifte auf, die bei ihnen Navigationsstörungen verursachen. Die Tiere finden nicht mehr zu ihrem Stock zurück und verenden.

Zwei 2012 im US-Magazin Science publizierte Studien bestätigten die verheerenden Wirkungen dieser vermeintlichen Pflanzenschutzmittel. Im Januar 2013 reagierte die EU-Kommission und schlug vor, wenigstens die drei Neonikotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam bis 2015 auf „bienenrelevanten“ Feldern (Mais, Raps, Zuckerrüben) nicht mehr auszubringen. Wie Tomas Brückmann, BUND-Projektleiter „Pestizide/Biodiversität“, berichtet, scheiterte dieser Vorstoß am Widerstand der Agrarindustrie, die den Verlust von 860.000 Arbeitsplätzen und Ernteausfälle in Milliardenhöhe an die Wand malte (BUND-Magazin, 2/13). Im Februar erreichte die Wirtschaftslobby die Verschiebung einer Abstimmung darüber. Im März fand das angestrebte Moratorium aufgrund deutscher und britischer Stimmenthaltung keine Mehrheit. Unterhändler der Bundesregierung würden seither versuchen, andere EU-Länder vom Verbot der Gifte abzubringen – „im Interesse von Chemiekonzernen wie Bayer, BASF und Syngenta“.

Agrar- und Chemielobbyisten bestreiten, daß einzelne Studien stichhaltige Belege für den Zusammenhang von Bienensterben und Pestizideinsatz liefern können. Der die konventionelle Landwirtschaft vertretende Bayerische Bauernverband (BBV) deutet sogar an, daß es selbst bei nachweisbarer Kausalität keine Alternative zu den Umweltgiften mehr gebe, wolle man den Anbau von Mais und Raps nicht drastisch reduzieren. Beides sind inzwischen vor allem „grüne“ Energiepflanzen – angebaut für Biodiesel, E10-Benzin und lukrative, staatlich gehätschelte Biogasanlagen.

Naturschützer wie Brückmann pochen dagegen auf ihre Forderung nach „weniger intensiver Landnutzung mit vielfältiger Fruchtfolge“. Der Streit ist nicht entschieden, nur die Bienen sind in diesem europäischen Sommer wieder millionenfach gestorben.

Vom 16. bis 17. September findet in Rosenfeld das Symposium „Effekte von Neonicotinoiden auf das Verhalten von Bienen“ statt: mellifera.de/

Foto: Honigbienen, durch Milben verendete Bienen (u.): Der Ursachenstreit hält unvermindert an, währenddessen sterben die unverzichtbaren Bestäuber millionenfach

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