© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Kirche im Wahlkampf
Überzogen und weltfremd
Wolfgang Ockenfels

Die Bischofsweihe verleiht keine politisch-ökonomische Kompetenz. Überdies sollte eine Exzellenz, die auch noch den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz innehat, keine Initiative zur Aushöhlung der eigenen Amtsautorität ergrei-fen. Einfache Erkenntnisse, nicht wahr? Leider hat sich Robert Zollitsch, der Erzbischof von Freiburg, nicht daran gehalten, als er mitten im Wahlkampf dem Badischen Tagblatt ein Interview gab.

Darin gab er – mit Blick auf die Alternative für Deutschland (AfD) – der Hoffnung Ausdruck, „daß es nur ein paar Nostalgiker sind, die nicht in den Bundestag einziehen werden“. Weiterhin wird Zollitsch mit den Worten zitiert: „Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten.“ „Ich sehe keine Alternative zum Euro. Denn der zwingt uns, weiter zusammenzukommen.“

Satiriker können schon im bloßen Zitieren dieser Phrasen die stärkste Entgegnung vorbringen, ohne auf die inhaltliche Bedeutung kritisch einzugehen – wie es für die AfD Joachim Starbatty in einem Brief an den Erzbischof konstruktiv versucht hat. Die AfD sucht ernsthaft den Dialog mit Zollitsch, der ihn natürlich verweigert, weil man mitten im Wahlkampf wohl lieber Interviews gibt.

Deren politische Wirkung kann sich freilich als ebenso beschränkt erweisen wie ihr Inhalt. Welche Partei wir wählen oder nicht wählen, lassen wir uns nicht von geistlichen Würdenträgern vorschreiben. Von ihnen erwarten sich politisch praktizierende Christen keine konkreten Lösungen, sondern gut begründete ethische Maßstäbe – zur eigenen Entscheidung.

Mit dem Brustton der Glaubensüberzeugung vorgetragene „Bekenntnisse“ zum Euro und zur Auflösung der Nationalstaaten wirken leicht fundamentalistisch und weltfremd. Eine Demokratie ohne Alternativen, ohne Korrekturmöglichkeiten, ist keine mehr. Es könnte ja sein, daß sich die angeblichen Nostalgiker als die besseren Realisten erweisen. Und daß die AfD gerade wegen der bischöflichen Zurechtweisung die parlamentarische Hürde schafft. Wie kirchenamtliche Warnungen vor unsittlichen Filmen zum Kinobesuch erst richtig anstacheln.

Merke: Ein Kirchenmann, der seine religiös-moralische Kompetenz unterbietet und den Kredit seiner Amtsautorität überzieht, ist für die Politik ungeeignet.

 

Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen