© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Kein Interesse an der EU
Parlamentswahl Norwegen: Gute Chancen für einen Machtwechsel / Fortschrittspartei setzt auf Konfrontationskurs
Jens Boye Volquartz

Im Kampf um die Wählerstimmen der Norweger greift Ministerpräsident Jens Stoltenberg auch gern einmal zu ungewöhnlichen Maßnahmen: So sorgte er für Aufsehen, als er als Taxifahrer Bürger durch Oslo fuhr. Um zu erfahren, was das Volk bewegt, hieß es. Doch wie die Boulevardzeitung Verdens Gang herausfand, waren wenigstens fünf der vierzehn Passagiere angeheuert und bezahlt worden. Dies räumt ebenfalls die Produktionsfirma ein, gibt allerdings an, daß diese nur für eine Wahlkampf-aktion vor den Parlamentswahlen am 9. September angesprochen, aber nicht im Detail informiert worden seien.

Umfragen zufolge steht es nicht gut um Stoltenbergs Koalition aus sozialdemokratischer Arbeiterpartei (AP), der Sozialistischen Linken (SV) und der liberalen Zentrumspartei (SP). Gegenüber 2009 verliert die AP fünf Prozentpunkte und liegt bei knapp 30 Prozent. Kopf an Kopf mit der oppositionellen liberal-konservativen Høyre („Rechte“).

Im Verbund mit drei bürgerlichen Kleinparteien könnte der konservativ-liberale Block unter Führung der Høyre eine Mehrheit erreichen. Zünglein an der Waage bildet hier die rechtsliberale Fortschrittspartei (FrP) unter ihrer langjährigen Vorsitzenden Siv Jensen. Deren Forderungen in Richtung einer „wirtschaftlichen und nachhaltigen Einwanderung“ sorgen für Zündstoff. Demnach soll die Eheschließung zweier Ausländer in Norwegen kein Grund für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung mehr sein. Einwanderern soll es zudem nur dann gestattet sein, die norwegische Staatsbürgerschaft zu beantragen, wenn sie mindestens zehn Jahre in Norwegen gewohnt, gearbeitet und Steuern gezahlt haben sowie nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.

Zwar gab Jensen an, daß diese Forderungen lediglich „darauf abzielten, die Debatte zu beleben“, jedoch zeigten sich die potentiellen Koalitionsparteien erschrocken und wiesen derartige Anti-Bestrebungen als unvereinbar mit ihren Programmen zurück. Die Høyre-Vorsitzende Erna Solberg stellte gar die avisierte Koalition in Frage. Doch Jensen, deren Partei bei Umfragen bei 15 Prozent liegt, läßt nicht locker und unterstreicht das Manko, daß es im Wahlkampf der Rivalen Høyre und AP schwierig ist, „große politische Unterschiede“ auszumachen.

Während die Ausländerfrage die Gemüter erhitzt, spielt das Thema EU im Wahlkampf kaum eine Rolle. Das hat seinen Grund. Denn, wie eine Umfrage der linken Zeitung Klassekampen belegt, 70 Prozent der Norweger sprechen sich – unabhängig von Alters- und Bildungsunterschieden – gegen einen EU-Beitritt aus. Einzig die Høyre signalisiert eine positive Haltung gegenüber Brüssel.

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