© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Lockerungsübungen
Hollande macht es richtig
Karl Heinzen

Die Franzosen wählten Nicolas Sarkozy im Jahr 2007 zu ihrem Staatspräsidenten, weil er ihnen längst überfällige Reformen versprochen hatte. Als er diese dann tatsächlich in Angriff nahm, gingen sie haßerfüllt auf die Straße und schickten ihn zu guter Letzt nach nur einer Amtsperiode in den Ruhestand. Dieses Schicksal will sich sein Nachfolger François Hollande verständlicherweise ersparen. Allerdings kommt auch er nicht ganz um Reformen herum, wenn er das Schlimmste für sein angeschlagenes Land verhüten will.

Derzeit versucht sich Hollande daran, die staatliche Altersversorgung auf eine solidere Grundlage zu stellen. Dabei bringt er den Mut auf, an der Entscheidung seines Vorgängers, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre anzuheben, nicht zu rütteln. Die Erhöhung der Beitragsjahre, die zum Genuß der ungeschmälerten Ruhestandsbezüge berechtigen, soll jedoch erst 2020 beginnen und dann bis 2035 Schritt für Schritt – von 41,5 auf 43 Jahre – vorgenommen werden. Die Heerscharen von Beamten und Angestellten der Staatsbetriebe sind hiervon nicht betroffen.

Die Finanzierbarkeit des staatlichen Rentensystems – man geht für das Jahr 2020 von einem Defizit in Höhe von 20 Milliarden Euro aus – scheint bei den Reformplänen nicht im Vordergrund zu stehen. Die Belastungen dürften sogar noch wachsen, wenn Rentner, die besonders beschwerlichen Berufen nachgingen, die in Aussicht gestellten Zuschläge erhalten. Beabsichtigt ist bislang lediglich eine Erhöhung der Beitragssätze um 0,3 Prozent, was die Einnahmen langfristig jedoch bloß um knapp sechs Milliarden Euro steigert.

Die Kritik, die nun von allen Seiten auf Hollande einhagelt, ist daher in der Sache nicht ganz unberechtigt. In politischer Hinsicht macht er jedoch alles richtig. In einer Demokratie bestimmen die gegenwärtigen Wähler und nicht jene der Zukunft. Ein Politiker, der auf ihr Votum angewiesen ist, hat alles zu unternehmen, um Belastungen von ihnen fernzuhalten. Wenn die Lösung eines Problems die Bürger etwas kostet, muß er sie so lange vertagen wie möglich. In einer Ordnung, in der der einzelne und sein Egoismus im Mittelpunkt stehen, ist dies legitim, doch muß man sich über die ausländerfeindlichen Konsequenzen im klaren sein. Die Versäumnisse der Autochthonen von heute werden die Einwanderer von morgen auszubaden haben.

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