© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/13 / 06. September 2013
Festhalten am Nationalstaat: Karlsruhe seltsam
zeitentrückt Von den drei Begriffen Homogenität, Identität und Souveränität scheint nur der letzte in der juristischen Dogmatik beheimatet zu sein. Aber auch die Souveränität steht heute derart zur Disposition, daß selbst ein CDU-Politrentner wie der Ex-NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sich erdreistet zu dekretieren, es könne im Zeitalter der Globalisierung keine Einheit von Volk, Staat und Nation mehr geben (FAZ vom 15. August). Zwar weniger plump demagogisch, aber in der Sache durchaus auf Rüttgers’ Linie, geht auch der Staatsrechtler Rolf Grawert (Bochum) in seiner Kritik „jurisdiktioneller Begriffsdogmatik“ des Bundesverfassungsgerichts auf Distanz zu diesen drei „kodifizierten Worten“. Darunter ist ihm „Homogenität“, das die „vermeintlich urwüchsige Qualität des Volkes“ ausdrücke, angesichts des „faktischen Multikulturalismus“ und ihrer „noch Mehrheitsbevölkerung“ am entbehrlichsten (Der Staat, 2/2012). Als ähnlich „vornormativen Vorstellungen verhaftet“ wird „Identität“ verworfen. Da die Karlsruher Richter seit ihrer Entscheidung zum Maastrichter Vertrag der im „krisengeschüttelten Europa“ verbreiteten Neigung „zur rettenden Renationalisierung“ frönten, rückt Grawert sie in die Nähe zum Mystizismus. Und ihr Festhalten an der Souveränität Deutschlands sei seltsam zeitentrückt, da es Affinitäten zu „problematischen Ideologien“ widerspiegele. |