© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Eine Randfigur sonnt sich im Ruhm
Die Befreiung Mussolinis durch ein deutsches Spezialkommando und die Rolle des SS-Offiziers Otto Skorzeny
Alexander Losert

Kommandounternehmen umgibt immer eine Aura des Geheimnisvollen und des Besonderen. Sehr gut ausgebildete Männer, von denen einer hundert normale Soldaten ersetzen könnte, vollbringen Leistungen, die kaum ein Mensch für möglich gehalten hat. Nicht anders verhielt es sich mit dem Unternehmen „Eiche“, der Befreiung von Benito Mussolini vom Gran Sasso vor siebzig Jahren.

Otto Skorzeny, hochgelobter Retter des „Duce“, begründete mit dieser Aktion seinen legendären Ruf als „Mann für besondere Aufträge“. Der Realität entsprach dies nicht. Der SS-Offizier nahm während der gesamten Operation lediglich eine Rolle am Rand ein. Dennoch erntete er den Ruhm – obwohl andere die Befreiung planten und durchführten.

Rückblick: Mussolini geriet durch den schlechten Kriegsverlauf unter immensen Druck. Vor allem nachdem am 9./10. Juli 1943 die Alliierten auf Sizilien gelandet waren, die Insel nach kurzer Zeit eroberten und damit wieder die Unzulänglichkeit der italienischen Armee für einen großen Krieg offenbarten. Die Deutschen verstärkten darauf ihre Kritik am italienischen Militär, die oppositionellen Faschisten steigerten ihren Einfluß und die Generäle Mussolinis wollten aus dem Krieg ausscheiden.

Von drei Seiten bedrängt, versuchte der „Duce“ das Heft in der Hand zu behalten, unterschätzte aber seine Gegner. Am 24. Juli rief er im Palazzo Venezia den faschistischen Großrat zusammen – jenes Gremium, das offiziell die Macht ausübte. Stundenlange Diskussionen, Eingaben und Reden lösten einander ab, bis schließlich die Entmachtung Mussolinis und seine Inhaftierung beschlossen waren (JF 30-31/13).

Neuer starker Mann war Marschall Pietro Badoglio, den Hitler als „schlimmsten Feind Deutschlands bezeichnete“. Nun begann das Tauziehen um den Begründer des Faschismus. Für den neuen italienischen Regierungschef bedeutete der Gefangene eine Belastung.

Auf der einen Seite gelobte er an der Seite Deutschlands weiterzukämpfen und bezeichnete den Sturz als innenpolitische Angelegenheit, auf der anderen Seite wollte er sein Land möglichst schnell aus dem Bündnis lösen und den Krieg gegen Großbritannien und die USA beenden. Dies bedeute aber die Auslieferung des Duce an die Alliierten – eine ihrer zentralen Forderungen.

Aus diesem Dilemma Badoglios befreite ihn dann der deutsche Diktator. Hitler wollte seinen alten Freund unter allen Umständen retten. Mit ihm sollte eine faschistische Gegenregierung gebildet werden, wovon viele Generale ihrem Führer abrieten. Doch der Wille des Diktators siegte. Mit der Durchführung der Befreiung und der Suche nach dem Duce beauftragte der Reichskanzler Ende Juli den Luftwaffengeneral Kurt Student und dessen Fallschirmjäger.

Am 10. September erreichte die Deutschen schließlich die entscheidende Meldung. Im Berghotel „Campo Imperatore“ auf dem Gran Sasso (Italiens höchster Berg mit 2.912 Metern Höhe) würde eine wichtige Persönlichkeit festgehalten. Dies konnte nur Mussolini sein. Restzweifel bestanden zwar, dessen ungeachtet lief die Rettungsaktion an. Die Durchführung übernahm die 1. Kompanie (Chef Freiherr von Berlepsch) des I. Bataillons (unter Major Mors) des Fallschirmjäger-Regiments 7. Mit diesen Männern sollte ein kleines SS-Kommando unter Otto Skorzeny an dem Unternehmen teilnehmen – allerdings nur als Unterstützung.

Lange diskutierte man, welche Absetzmethode angewendet werden sollte. Schließlich fiel die Entscheidung auf Segler, die am 12. September starteten. Dabei sollte es zu einem kombinierten Einsatz kommen. Soldaten unter dem Kommando von Major Mors besetzten das Flugfeld bei Aquila und die Seilbahnstation zum Hotel, um eine befürchtete Gegenaktion zu unterbinden.

Zwölf Segler näherten sich dem Ziel – Skorzeny saß im dritten, der Kompaniestab in den ersten beiden. Zwei Maschinen schieden durch Schäden schon beim Anflug aus, und der Pilot des Führungsflugzeugs versuchte noch an Höhe zu gewinnen, um das Ziel sicher zu erreichen. Doch nicht alle Segler vom Typ DFS 230 folgten ihm, so daß sich der SS-Offizier plötzlich an der Spitze befand.

Acht Maschinen landeten sicher auf dem Rasen des Hotels – die von Skorzeny unmittelbar vor dem Hoteleingang. Er stürmte auch als erster in das Gebäude und gelangte direkt zum Zimmer des Duce, während seine SS-Männer die Familie des gestürzten Diktators befreiten. Die Fallschirmjäger sicherten die Umgebung. Allerdings leisteten die italienischen Wachen keinerlei Widerstand. Ein Carabinierigeneral gab die Anweisung, unter keinen Umständen auf die Deutschen zu feuern. Nach wenigen Minuten war die Operation erfolgreich und unblutig beendet.

Der Duce sollte dennoch in Lebensgefahr geraten. Zwei Flugzeuge vom Typ „Fieseler Storch“ sollten Skorzeny und Mussolini in Sicherheit bringen. Die Maschine des SS-Offiziers war aber beschädigt und er bestand darauf, in der Maschine des Befreiten mitzufliegen. Jedoch war diese Art Flugzeug lediglich für zwei Personen ausgelegt und der Pilot protestierte. Doch Skorzeny setzte sich durch. Die Fallschirmjäger mußten die Maschine erst anschieben, bevor sie überhaupt mit voller Motorleistung abheben und Mussolini endgültig in Sicherheit bringen konnte.

Die Befreiung des Duce brachte den Deutschen einen immensen Propagandaerfolg. Das ganze Lob ernteten Otto Skorzeny, der das Ritterkreuz erhielt, und seine SS-Männer, während die Fallschirmjäger, die die ganze Aktion durchgeführt hatten, fast unbeachtet blieben. Dies geschah auf Anordnung von Adolf Hitler, und so teilte der spätere Standartenführer den Deutschen über Radio mit: „Ich habe Mussolini befreit!“ – obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach.

Alexander Losert ist Redakteur bei der Fachzeitschrift „Militär & Geschichte“

www.militaer-und-geschichte.de

Foto: Deutsche Fallschirmjäger posieren am 12. September 1943 mit Mussolini auf dem Gran Sasso, Otto Skorzeny mit Fernglas: Befehl der Carabinieri, unter keinen Umständen auf die Deutschen zu feuern

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