© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/13 / 06. September 2013

Im stolzen Gleichschritt
Trübe Wahrnehmungen von „Spitzenjournalisten“
Wolfgang Kaufmann

Ab und an erscheinen Bücher, welche bestens dazu geeignet sind, den Leser zum Fremdschämen zu veranlassen. In diese Kategorie gehört auch Dirk Flecks Sammlung von 25 Interviews mit Medienvertretern, die darüber Auskunft geben sollten, wo sie ihre Verantwortung in der gegenwärtigen Krise sehen. Zum einen nämlich überwiegt der blanke Selbstbetrug, wie im Falle des ZDF-Moderators Volker Panzer, der allen Ernstes behauptet, kein Journalist oder Fernsehmacher hierzulande ängstige sich vor einem Karriereschaden aufgrund unerwünschter Äußerungen. Zum anderen wird dem Thema der Verantwortung für eine objektive Berichterstattung über die drängendsten Probleme in unserem Lande weitestgehend ausgewichen, weil Fleck erklärtermaßen beabsichtigte, gemeinsam mit seinen Gesprächspartnern „eine Debatte über den Umgang mit dem drohenden Ökozid anzustoßen“.

Und so schwadroniert die „illustre Riege“ von Herausgebern, Chefredakteuren und „Spitzenjournalisten“, die fast ausnahmslos die üblichen linksliberalen bis linken Medien repräsentieren, dann auch vorrangig über ihre Tiefenanalysen zum Klimawandel und dessen postulierte Folgen. Dabei entbehren manche Aussagen nicht der unfreiwilligen Komik wie die Klage des taz- und Freitag-Autors Robert Misik, der verärgert konstatiert, daß die bislang stets so geduldigen Leser neuerdings via Internet „zurückschießen“, wenn sie sich von den Medien verschaukelt fühlen.

Ebenso lächerlich ist der Versuch, die Interviewpartner bei der Vorstellung ihrer Person in den leuchtendsten Farben zu zeichnen, was dann zum Beispiel im Falle von Michel Friedman alias „Paolo Pinkel“ bedeutet, alle Hinweise auf den Zwangsprostitutions-Skandal zu unterlassen, der dem Moderator einen kurzfristigen beruflichen Absturz bescherte.

Nur an einer Stelle blitzt die nackte Wahrheit durch, und zwar ausgerechnet in den Äußerungen des taz-Verschwörungsanalytikers Mathias Bröckers, der ernüchtert konstatierte: „Es ist bedauerlich und beschämend, daß sich das Gros der schreibenden und sendenden Kollegen so unumwunden und hemmungslos gleichschalten läßt.“ Damit hat er die Haltung vieler Interviewpartner von Fleck treffend beschrieben.

Dirk C. Fleck: Die vierte Macht. Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012, gebunden, 318 Seiten, 22,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen