© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Hier treiben sie’s bunt
„Autonome Zentren“: In vielen Großstädten haben sich unter den Augen der Behörden rechtsfreie Räume gebildet
Felix Krautkrämer / Christian Vollradt

Es gibt sie in nahezu jeder deutschen Groß- oder Universitätsstadt. Sie bezeichnen sich wahlweise als linke oder autonome Jugend- beziehungsweise Kulturzentren. Und sie haben eines gemeinsam: Sie sind häufig Treffpunkte sowie Rückzugsräume für linksextreme, gewalttätige Gruppen.

Von diesen Zentren aus werden Straftaten geplant, ausgeführt und propagandistisch verbreitet; diese „selbstverwalteten“ Räume sind „No-go-Areas“ für politisch andersdenkende oder unpolitische Jugendliche. Doch trotz solch offenkundiger Mißstände wird das Treiben geduldet – und sei es nur durch Untätigkeit der zuständigen Behörden. In manchen Fällen gibt es zu allem Überfluß auch noch finanzielle Unterstützung, selbst dann, wenn bei Polizei und Verfassungsschutz die linksextremen Vernetzungen aktenkundig sind. Selten, daß Vorfälle in diesen Zentren überregional Beachtung finden, meist interessiert es – wenn überhaupt – nur regionale Medien.

Daß es sich jedoch keineswegs nur um vereinzelte, lokale Phänomene handelt, soll die folgende Übersicht darstellen, in der sechs solcher Objekte stellvertretend für viele mehr in Deutschland aufgeführt werden.

 

Rote Flora, Hamburg

Die Flora hat Hamburg auch bunter gemacht. Die Schanze ist nicht langweilig und spießig, sondern bunt und lebhaft“, meinte Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) vor zwei Jahren in einem Interview. Seit 1989 ist ein Teil des früheren Flora-Theaters im Hamburger Stadtteil Sternschanze besetzt. Doch in dem Gebäude treffen sich nicht nur harmlose „Antifaschisten“ und Gegner der „Gentrifizierung“ oder Unterstützergruppen für illegale Flüchtlinge, dort finden nicht nur Punkkonzerte statt.

Immer wieder ist die „Rote Flora“ Ausgangspunkt gewalttätiger Demonstrationen, nicht zuletzt bei der alljährlichen Randale am 1. Mai. Deswegen widersprachen auch Polizisten ihrem obersten Vorgesetzten deutlich: „Wenn Herr Neumann mit bunt die Farbschmierereien oder das Abbrennen von Feuerwerkskörpern meint, mag er ja recht haben. Ich glaube aber nicht, daß dadurch das Leben im Schanzenviertel bunter geworden ist“, stellte etwa der Hamburger Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Uwe Koßel, 2011 gegenüber der JUNGEN FREIHEIT fest. Und auch der Hamburger Verfassungsschutz kommt zu der Einschätzung, die „Flora“ sei „der bedeutendste politische Treff- und Veranstaltungsort für die autonome Szene Hamburgs“.

Als im Dezember 2009 zehn bis fünfzehn Vermummte eine Polizeiwache in der Hamburger Lerchenstraße mit Steinen angegriffen und zwei Streifenwagen angezündet hatten, verwiesen die wenigen Hinweise aus einem Bekennerschreiben einmal mehr auf die „Rote Flora“. 2007 geriet sie im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm ins Visier der Bundesanwaltschaft, die wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte und das Gebäude durchsuchen ließ. Seit 2001 gehört die „Rote Flora“ einem privaten Investor, der sie für 370.000 D-Mark dem Senat abgekauft und sich verpflichtet hatte, am Status quo der Nutzung nichts zu ändern.

Aktuelle Gerüchte über einen möglicherweise anstehenden neuerlichen Verkauf des Gebäudes kommentieren Mitglieder der linksextremen Szene mit unverhohlenen Aufrufen zur Gewalt: „Wir werden die Flora auch in Zukunft mit allen Mitteln verteidigen.“ In „gutbetuchten, konservativen Stadtteilen“ müsse man sich im Falle einer Räumung künftig an „Barrikaden, Scherbendemos oder zerstörte Luxuslimousinen“ gewöhnen.

www.florableibt.blogsport.de

 

Conne Island, Leipzig

Die linksextreme Szene im Leipziger Stadtteil Connewitz gilt als die aktivste im Freistaat Sachsen und wird von der Polizei als eine der größten Ansammlungen gewaltbereiter Personen in ganz Deutschland eingestuft.

Immer wieder kommt es hier zu Ausschreitungen wie etwa im Oktober vergangenen Jahres, als nach einer Drogenrazzia die Polizei mit Steinen attackiert wurde und „Chaoten“ Barrikaden errichteten sowie Autos anzündeten. Ihre zentrale Anlaufstelle hat die Szene seit Jahren im „Conne Island“. Der dort eingerichtete Infoladen bietet an Infrastruktur (Computer mit Internetzugang, Scanner, Drucker und Adreßdatenbank, Bibliothek) alles, was linksextremistische Gruppen und Einzelpersonen brauchen. Obwohl der sächsische Verfassungsschutzbericht das „Conne Island“ als linksextremes Zentrum erwähnt, wurde die Einrichtung 2008 für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert.

Vom Kulturamt der Stadt Leipzig erhält der Verein „Conne Island e.V.“ in diesem Jahr 168.000 Euro „institutionelle Förderung“, teilte eine Sprecherin der Stadt mit.

www.conne-island.de

 

JuzI, Göttingen

Gruppen- und Proberäume für Bands, Platz zum Lesen und für Konzerte – und das alles ohne Konsumzwang und Gewinnstreben. So präsentiert sich das Göttinger Jugendzentrum Innenstadt, kurz JuzI. Ein Freiraum für Jugendliche, die sich eher einer Subkultur als dem „Mainstream“ zugehörig fühlen; und natürlich mit einem unverhohlenen Bekenntnis zu den Wurzeln in der Hausbesetzerszene und im „militanten Antifaschismus“.

Seit 1982 existiert das JuzI in einem stattlichen Anwesen, hübsch und zentral gelegen am historischen Wall der Universitätsstadt. Paragraph 2 des Vertrags zwischen dem Verein Jugendzentrumsinitiative Innenstadt und der Stadt Göttingen als Eigentümerin der Immobilie sieht zwar vor, daß bei der „Verwirklichung der Vereinsziele“ das Grundgesetz sowie die bestehenden Gesetze einzuhalten sind; die Realität sieht seitdem jedoch anders aus: Bereits ein halbes Jahr nach der Gründung erfolgte die erste Durchsuchung. Sachbeschädigung, Diebstahl, Tätlichkeiten und Angriffe auf Polizisten oder Verbindungsstudenten – eine lange Liste von Verstößen hat sich da in drei Jahrzehnten ergeben, die immer wieder ihren Ausgangspunkt im JuzI hatten.

Dabei hätte die Stadt längst zahlreiche Gründe gehabt, wegen Verstoßes gegen den Mietvertrag dem Verein zu kündigen. Etwa weil keine Nachweise für die Verwendung von Fördermitteln erbracht wurden, weil das Gebäude verunstaltet wurde, weil Vertreter der Stadt oder des Rates auch nach Anmeldung nicht eingelassen wurden. Auch mit dem im Mietvertrag festgehaltenen Anspruch, das Jugendzentrum im Sinne der Toleranz und Gleichbehandlung „für alle Jugendlichen offenzuhalten“, ist es in der Realität nicht weit her: Erst im Mai dieses Jahres wurden Mitglieder der Göttinger Jungen Union im JuzI tätlich angegriffen und aus dem Gebäude geprügelt.

www.juzi.de

 

KTS, Freiburg

Bloß nicht provozieren, lautet das Motto der Freiburger Politik, wenn es um den Umgang mit der linksextremen Szene geht. Ob Demonstrationen, Veranstaltungen oder Hausbesetzungen: Eingeschritten wird nur, wenn unbedingt notwendig. Ansonsten aber wird alles unternommen, um die für ihre Gewaltbereitschaft bekannten linksextremen Gruppen in der Universitätsstadt milde zu stimmen. Und dazu zählt natürlich auch die Finanzierung eines eigenen autonomen Zentrums, des „Kulturtreffs in Selbstverwaltung“ kurz KTS.

1994 von Hausbesetzern im Stadtteil Vauban gegründet, fand „die KTS“, so die Szenebezeichung für das Autonomen-Zentrum, nach ihrer Räumung Unterschlupf in einem Gebäude der Bahn. Gemietet wurden die Räumlichkeiten von der Stadt. Doch da es immer wieder Ärger mit den Besuchern der KTS gab, kündigte die Bahn 2004 den Mietvertrag. Die Folge waren wochenlange Proteste mit teils heftigen Ausschreitungen. Auf Vermittlung der Stadt Freiburg erklärte sich die Bahn schließlich bereit, den linksextremen Szenetreff doch weiter in ihrem Gebäude zu dulden. 2008 wurde der Vertrag in ein unbefristetes Mietverhältnis umgewandelt. Seitdem bezahlt die Stadt jährlich rund 65.000 Euro an Miet- und Nebenkosten für die KTS und finanziert so ganz nebenbei einen der wichtigsten Treffpunkte für Linksextremisten in Baden-Württemberg.

Sämtliche linkradikalen und linksextremen Gruppen Freiburgs, darunter auch die gewaltbereite Autonome Antifa sowie die Ortsgruppe der Roten Hilfe, nutzen die Räumlichkeiten der KTS für Veranstaltungen sowie als Anlauf- und Kontaktstelle. Laut dem Landesamt für Verfassungsschutz dient die „KTS besonders bei Großereignissen als Anlaufstelle für gewaltbereite Linksextremisten aus ganz Deutschland und auch über die Landesgrenzen hinaus“. Und selbst das SPD-geführte Innenministerium gestand im vergangenen Jahr ein, die KTS sei das einzige wirkliche „Autonome Zentrum“ Baden-Württembergs, „da dieses Objekt ausschließlich von linksextremistischen Gruppierungen betrieben und genutzt wird“. Konsequenzen hatte das für die KTS allerdings keine.

www.kts-freiburg.org

 

Kafe Marat, München

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) protestierte empört: Daß das linke Zentrum „Kafe Marat“ in München finanzielle Unterstützung durch die Landeshauptstadt erhalte, sei nicht akzeptabel. Auch die Münchner CSU-Fraktion forderte mehrfach die Streichung der Förderung. Es könne nicht angehen, daß Institutionen, die verfassungsfeindliches Gedankengut hegten oder gar verfassungsfeindliche Ziele verfolgten, auch noch aus Steuermitteln gefördert werden, sagte der Fraktionsvorsitzende Josef Schmid im März 2011.

Geändert hat sich dennoch nichts. Nach wie vor erhält das „Kafe Marat“ einen jährlichen Mietkostenzuschuß vom Sozialreferat der Stadt München in Höhe von 39.300 Euro. Und das, obwohl die Einrichtung laut dem Bayerischen Verfassungsschutz „Linksextremisten, insbesondere Autonomen, als Treffpunkt, logistisches Zentrum und Informationsbörse“ dient. So nutzt beispielsweise die Münchner autonome Gruppe „Antifa-NT“ die Räumlichkeiten des „Kafe Marat“ für Vorträge und Mobilisierungsveranstaltungen. Auch die linksextreme Rote Hilfe trifft sichregelmäßig in dem Gebäude in der Thalkirchnerstraße. Dort gibt es, wie in den meisten autonomen Zentren, auch einen sogenannten „Info-Laden“, in dem diverse linksextreme Publikationen angeboten werden. So zum Beispiel die Interim, ein laut Verfassungsschutz konspirativ in Berlin hergestelltes Blatt, in dem auch Anleitungen zum Bau von Bomben sowie Bekennerschreiben zu Anschlägen veröffentlich werden.

Benannt wurde das „Kafe Marat“ in Anlehnung an Jean Paul Marat, einem „radikalen Unterstützer der französischen Revolution und Befürworter politischer Gewalt“, heißt es auf dem von der bayerischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Verfassungsschutz verantworteten Internetportal „Bayern gegen Linksextremismus“.

Die Betreiber des Zentrums sehen sich dagegen diffamiert und kriminalisiert. Man vertrete lediglich „antifaschistische, antirassistische und antisexistische Positionen“, schreiben sie auf der Internetseite des „Kafe Marat“. Und sie würden es sich nicht verbieten lassen, auch weiterhin gegen „rassistische Übergriffe, Naziaufmärsche, sexualisierte Gewalt, fundamentalistische Abtreibungsgegner_innen“ und „rassistische Migrationspolitik“ zu mobilisieren.

www.kafemarat.blogsport.de

 

Autonome Zentren

Laut dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen verfügt „nahezu jede Groß- oder Universitätsstadt über eine etablierte Alternativszene, die Nischen für Veranstaltungen der linksautonomen Szene bietet“. Dabei spiele es keine Rolle, wer der Träger ist, sondern wie stark sich das Engagement linksautonomer Gruppierungen innerhalb eines solchen Zentrums darstelle.

In einer Stellungnahme des baden-württembergischen Innenministeriums vom Oktober 2012 heißt es zudem, „‘Autonome Zentren’ oder vergleichbare Objekte dienen gewaltorientierten/gewaltbereiten Linksextremisten als Anlaufstelle und Treffpunkt. In ihnen sollen extremistische Aktivitäten „bewußt der staatlichen Kontrolle entzogen“ werden. Der Landesverfassungsschutz weist darüber hinaus darauf hin, daß Autonome „grundsätzlich gewaltbereit“ sind und bei ihren Aktivitäten auf Militanz setzen.

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