© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Viele Schwellenländer geraten in einen Abwärtssog
Dem Boom folgt der Bust
Thorsten Polleit

Und wieder platzt eine Blase: Viele aufstrebende Volkswirtschaften – allen voran Indien, die Türkei und Indonesien, aber auch Länder Lateinamerikas und Osteuropas – geraten ins Schlingern. Der Grund: Steigende Zinsen in den USA, die dem Kreditfluß in die Wachstumsregionen ein jähes Ende setzen. Über Jahre ermutigte die Politik des billigen Geldes Investoren, ihr Geld in den aufstrebenden Volkswirtschaften anzulegen. Mit billigen Auslandskrediten wurden chronische Leistungsbilanzdefizite finanziert, durch die sich wiederum Produktion und Beschäftigung vorübergehend steigern ließen.

Zudem trugen heimische Wirtschafts- und Geldpolitiken zu Fehlentwicklungen bei, indem sie etwa für Spekulationswellen in den Häuser- und Aktienmärkten sorgten. Es kam wie es kommen mußte – und zuletzt in der Asienkrise 1997/98 zu beobachten war. Das Investorenvertrauen ist dahin, der Kreditstrom versiegt. Der Außenwert der Währungen verfällt, Kapitalflucht setzt ein, der „Scheinaufschwung“ kollabiert.

Die Krise in vielen Schwellenländern, die sogar eine erneute internationale Krise auslösen könnte, ist ein Auswuchs des heute überall auf der Welt anzutreffenden staatlichen Papiergeldsystems, in dem fortwährend neues Geld durch Bankkredite in Umlauf gebracht wird – Bankkredite, die nicht durch „echte Ersparnis“ gedeckt sind. Kurzfristig führt das zwar zu einem Aufschwung („Boom“), auf den aber nachfolgend ein Abschwung („Bust“) folgen muß.

Die Vorgaben für die Geld- und Kreditkonditionen in den Schwellenländern stammen von den Zentralbanken der westlichen Welt, die wiederum unter der Führung der US-Fed stehen. Denn erstens sind die amerikanischen Finanzmärkte die weltweit größten und bedeutendsten. Sie weisen die Richtung für die internationale Zins- und Finanzmarktpreisbildung. Zweitens: Die Geschehnisse auf den Finanzmärkten, die entscheidend von der Fed beeinflußt werden, haben Rückwirkungen auf die internationalen Konjunkturen. Die US-Geldpolitik verursacht so einen „Folgezwang“ für die Politik in anderen Währungsräumen.

Und drittens: Die Finanzbranche hat sich unter der Führung des Dollar globalisiert. Vor allem für Geschäftsbanken ist die Fed „lebenswichtig“, und so fordern sie von ihren heimischen Zentralbanken eine Geldpolitik ein, wie sie in Amerika praktiziert wird. Die Schwellenländer sind in den finanziellen und wirtschaftlichen Abwärtsstrudel der westlichen Ökonomien geraten, in denen mittels Papiergeldgebrauch eine untragbare Verschuldung aufgetürmt wurde. Ihr Zusammenbruch läßt sich nur noch durch immer tiefere Zinsen und Geldmengenvermehrung verbergen. Die Papiergeldkrise wird zusehends weltumspannend.

 

Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Chefökonom von Degussa Goldhandel.

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