© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Konflikte verschärfen sich
„Weißensee“: Die zweite Staffel der ARD-Erfolgsserie thematisiert den langsamen Zerfall des SED-Regimes
Georg Thiele

Die gute Nachricht gleich vorneweg: „Weißensee“-Fans können sich schon auf eine dritte Staffel der erfolgreichen Fernsehserie freuen. Sie wird zur Zeit produziert.

Die ARD landete 2010 mit dem Sechsteiler „Weißensee“ einen großen Publikumserfolg, von dem sie selbst wohl etwas überrascht war. Andererseits gefiel die Popularität der Serie nicht jedem. Vor allem Journalisten mit Sympathien für das SED-Regime waren verärgert.

Jene Kritiker, die die DDR für ein gut gemeintes, aber leider mißlungenes gesellschaftliches Experiment halten und den Teil Deutschlands östlich der Elbe für den besseren Teil unseres Landes gehalten haben, waren besonders empört. Sie verdrängen bis heute, daß es Bespitzelung bis in die Familien hinein, Gefängnisstrafen für die Verbreitung von Wahrheiten, staatlich verordneten Kindesentzug aus politischen Gründen und auch lebensbedrohliches Sportlerdoping gab.

Die Protagonisten der Serie, die staatstragende Familie Kupfer und die regimekritische Familie Hausmann, sind auch in der zweiten Staffel die bestimmenden Personen der Geschichte. Mit dem Beginn der Handlung Anfang der achtziger Jahre war genügend historischer Raum für eine Fortsetzung vorhanden.

Die zweite Staffel startet 1986 und endet 1988, so daß die nun produzierten Folgen der dritten Staffel den Zusammenbruch der DDR zum Thema haben dürften. Mit der Zuspitzung der trostlosen ökonomischen Lage dramatisieren sich auch die Ereignisse in der zweiten Staffel der Serie.

Machtkämpfe innerhalb der Stasi, die sich bereits in der ersten Staffel angekündigt haben, kommen nun voll zum Ausbruch. Die Familie Kupfer zerfällt dabei in drei „Fraktionen“. Martin, der „gute Mensch“ von der Volkspolizei, hat den Staatsdienst quittiert. Vater Kupfer plädiert für einen geschmeidigen Umgang mit der Opposition und Sohn Falk setzt auf „null Toleranz“. Vater Kupfer wird auf die Stasihochschule in Potsdam-Eiche abgeschoben, damit er dem Tatendrang seines Sohnes Falk nicht mehr im Wege ist.

Familie Hausmann hingegen ist am Boden zerstört. Mutter Dunja trinkt und hat eine IM-Erklärung unterschrieben. Tochter Julia (unsterblich in Martin Kupfer verliebt) sitzt im Gefängnis Hoheneck wegen Landesverrats ein. Eigentlich könnte nun Ruhe im Arbeiter- und Bauernstaat einkehren.

Ausgerechnet in der Familie Kupfer kommen die Dinge durch den linientreuen Sohn Falk wieder in Bewegung. Dessen Sohn Roman ist als Vorzeigesportler der DDR in eine Sportschule „delegiert“ worden, gewinnt eine Gold-Medaille bei der Olympiade und bricht danach zusammen. Alle sind ratlos. Nur Vater Kupfer hat den richtigen Riecher: Doping.

Medikamente helfen nicht mehr – eine Spenderniere muß her. Falk erpreßt seinen Bruder Martin, damit er das Organ seinem Neffen spendet. Im Gegenzug sorgt Falk für Julias vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis.

Ein Drehbuch wie aus den besten Zeiten von Dallas mit J.R. Ewing als Bösewicht. Oder doch eher wie bei „Der Pate I bis III“? Die Zuschauer werden spannungsheischend vor dem Bildschirm kleben, auch wenn die Kritiker weinerlich meinen, die DDR-Realität sei nicht so schlimm wie in Weißensee gewesen. Die Alternative Saufen oder Spitzeln hätte es so nicht gegeben.

Sicherlich hat die 2. Staffel einige emotionale Höhepunkte. Vielleicht diesen? Falk hatte seine Frau gezwungen, auch für die Stasi zu spitzeln. Ihr Angriffsobjekt soll ein regimekritischer evangelischer Pfarrer sein, dessen Lebenswandel nur noch entfernte Anknüpfungspunkte zur Heiligen Schrift erkennen läßt.

Als dann der eifrige Stasi-Offizier Falk Kupfer persönlich eine Razzia beim Pfarrer vornimmt, findet er in des Pfarrers Schlafzimmer – seine eigene Ehefrau mit einem zufriedenen Gesicht. Selten so gelacht und ein so dummes Gesicht beim Serienbösewicht Falk gesehen. Dramaturgischer Höhepunkt aber ist die Entdeckung, daß Martin Kupfer und die durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommene Julia Hausmann eine gemeinsame Tochter hatten. Stasi-Falk hat es im Stasi-Knast Hohenschönhausen gleich nach der Geburt an sich gebracht und republiktreuen Pflegeeltern übergeben.

Zum Schluß erpreßt Vater Kupfer – er hat alles mittels Abhörwanze aufgedeckt – seinen Sohn Falk, Bruder Martin den Zugang zu seiner Tochter zu ermöglichen. So scheint, um in der Terminologie von SED und Stasi zu bleiben, wieder alles „im roten Bereich“ zu sein. Aber nur solange bis die 3. Staffel von Weißensee über die Bildschirme flimmert, denn dann kommen die Bürgerkomitees, runde Tische und Neue Foren. Die Geschichte der Wiedervereinigung bietet noch genug Stoff. Vielleicht sogar für eine vierte Staffel „Weißensee“.

Weißensee. Ab 17. September läuft die zweite Staffel immer dienstags um 20.15 Uhr in der ARD.

www.daserste.de

Foto: Strammer Genosse: Falk Kupfer ist der Bösewicht der Serie, die das wahre Antlitz des Sozialismus zeigt

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