© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Im weltweiten Mainstream
Ein Historiker analysiert Folgen der Euro-Krise
Oliver Busch

Die Krise der Euro-Zone habe „längst historische Dimensionen angenommen“, dekretiert Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. Wohl deswegen fühlt sich Wirsching vor allen Ökonomen und Politikern besonders zuständig, die Krise zu analysieren und Ratschläge zu ihrer Überwindung zu erteilen (Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften, 2(/2013).

Freimütig gesteht er zu, daß jenseits von akuten „Rettungsschirmen“ und maroden „Schuldenstaaten“ die EU selbst sich in der tiefsten Krise ihrer Geschichte befinde. Trotzdem würden jene „Alarmisten“, die den nahen „Zerfall“ der EU prophezeien, falschliegen. Denn seit 2008 sei die Lage zwar ständig eskaliert, aber niemand komme an der „banalen“ Erkenntnis vorbei, daß die Einheitswährung fortbestehe, die Wechselkurse nicht kollabierten und Aspiranten wie Lettland, Litauen und Kroatien den Euro gar nicht schnell genug einführen wollen. Verlangten in Deutschland „nicht geringe Kräfte“ den Austritt, hoffen andere eben auf einen raschen Eintritt in die Euro-Zone.

Mit einem Blick zurück auf sechzig Jahre Einigungsprozeß glaubt Wirsching seinen Optimismus stützen zu dürfen. Bisher habe jede Krise neue Schritte in Richtung Integration bewirkt. Die seit 2008 wuchernde Finanzkrise setze die gewohnte europäische „Krisengeschichte“ also nur fort und müsse auch im globalen Maßstab relativiert werden. Das Schuldenproblem dürfe daher nicht isoliert betrachtet werden, da die Bruttostaatsverschuldung im EU-Raum geringer sei als in Japan, den USA und den OECD-Staaten.

Man läge mithin „im Mainstream der globalen Entwicklungen“. Und gehe es nach der „Logik der europäischen Integration“, so Wirsching in hegelscher Manier, dann werde man mit Vergemeinschaftung der Steuer- und Wirtschaftspolitiken auf dieses Desaster reagieren. Anstelle unbegrenzter Haftung träten dann „finanzielle Beruhigung, engere finanzpolitische Kooperation, letztlich Stärkung des Euro“ ein.

Der Historiker Wirsching, der sicher mit solchen Prognosen Chancen hätte, als schwarz-gelber Regierungssprecher zu reüssieren, ist vor Selbstzweifel allerdings nicht ganz gefeit. Vielleicht versagt die geschichtsphilosophische „Logik“. Denn „freilich weiß niemand“, ob Deutschland den inflationären Folgen der Währungsunion entkommen kann, mitsamt ihren „gefährlichen“ Erschütterungen des sozialen Friedens, des demokratischen und marktwirtschaftlichen Systems.

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