© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/13 / 13. September 2013

Die Mühe wert
Der Herbst schenkt Früchte in Fülle – einem Stadtkind beim Einkochen über die Schulter geschaut
Christian Rudolf

Und kam die goldene Herbsteszeit / Und die Birnen leuchteten weit und breit“ dichtete Fontane in seinem berühmten „Ribbeck“. Auf meinem Stück Genossenschaftsland stehen ein Apfel- und ein Pflaumenbaum, einträchtig nebeneinander. Sie sind schon alt, urig verkrüppelt und genügsam. Diesen Herbst bringen sie gute Ernte, die Früchte lachen, daß es eine Freude ist. Sie verheißen körbeweise süßen Genuß. Und vorher noch ein Stück Arbeit.

Ich bin ein Kind der Großstadt. Bin zu dem Garten vor Jahren gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Die Apfel- und die Zwetschgensorte sind schwierig zu bestimmen, es gibt ja Hunderte davon, auch hängen weder Typenschild noch Seriennummer am Baum. Aber daß deren Herbstgeschenke ganz vorzüglich schmecken, davon habe ich mich Jahr um Jahr überzeugt. Also, frisch ans Werk, der Lohn am Abend soll die Mühe wert sein.

Die Äpfel träumen in der milden Septembervormittagssonne. Die Pflaumen sind prall und schimmern blauviolett. Daß sie reif sind, zeigen die vielen angepickten Stellen. Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. In die Küche mit euch. Ich rücke mit Leiter und Eimern an. Die Äpfel zieren sich noch, wollen nicht recht. Dafür lassen sich die Zwetschgen willig abpflücken.

An Herd, Küchentisch und Spüle ist alles vorbereitet. Erst kommen die Äpfel dran, zu Kompott sollen sie werden. Mit Kaltwasser abwaschen, mit dem Leinentuch trockentupfen. Es mögen fürs erste wohl zwölf Pfund sein. Die Baumflecken abgeschnitten, die Schale gelassen – das schmeckt herzhafter, man hat mehr davon. Die Äpfel geviertelt, das Kerngehäuse herausgeschnitten, ebenso Stiel und Blütenrest. Auf zwei große Töpfe verteilt, kommt der Saft von fünf Zitronen dazu. Während der Herd schon an ist, wird brauner Zucker in Menge drübergestreut. Der macht ein malziges Aroma. Zwanzig Minuten auf dem Herd im geschlossenen Topf. Erst aufkochen, dann auf kleine Flamme schalten, immer wieder bis auf den Grund mit dem uralten Holzlöffel umrühren. Nur nichts anbrennen lassen. Fruchteigener Saft tritt aus, es blubbert und dampft, zischt und seufzt. Süßer Apfelduft füllt den Raum. Die kleineren Stückchen in den Töpfen zerfallen, große werden weich. Die roten Schalen zwischendrin machen erst so richtig Appetit. Was anfangs so viel aussah, ist zusammengesunken und eingedickt. Nun aber runter vom Herd, Deckel drauf und kaltgestellt.

Den Zwetschgen, zwei große Emailleschüsseln voll, widerfährt ein anderes Los: die werden eingemacht. Die von Ende August, Anfang September sind die besten, die prahlen mit voller Süße.

Zuerst gewaschen, entstielt und abgetrocknet. Nur die reifen, aber noch festen Früchte übernehme ich. Während des leichtgängigen, doch überaus langwierigen Entkernens mit einem kleinen Küchenmesser wandern die schon weichen nebenbei in den Magen. Dann den hohen Bräter mit handverlesenen Pflaumen randvoll gemacht, nur wenig Zucker untergerührt, zum Verfeinern fünf Nelken und drei Zimtstangen dazwischengesteckt. Wenige Steine gebe ich mit, die kochen aus und geben dem Mus eine Mandelnote. Wie da die weißen Zuckerkörner sich von den dunkel geriebenen Zwetschgen abheben und den Fruchtsaft aufsaugen – da läuft einem das Wasser im Munde zusammen.

Der Bräter kommt sodann in den vorgeheizten Backofen (Umluft bei 125 Grad) und erst nach fünf Stunden wieder raus. Je länger gekocht wird, desto dickflüssiger die Konsistenz. Anfangs streue ich alle halbe Stunde unter Rühren noch jeweils 50 Gramm Zucker über die Zwetschgen, die über Stunden vornehm die Form wahren. In der letzten Stunde heißt es wirklich aufpassen und immer wieder gut umrühren, die Pflaumen brennen nun gerne an; das Mus entsteht. Tip: Einen Kochlöffel in die Ofentür geklemmt, erlaubt es dem Dampf zu entweichen.

Die Nelken werden zerkocht, die Zimtstangen und die Zwetschgensteine mit einem Löffel herausgenommen. Das Schönste für den Mann folgt nun: zwei Eßlöffel Rum unter das tief dunkelrote, duftende Mus rühren. Schmeckt nachher noch besser und macht haltbarer.

Jetzt Ärmel hochkrempeln und die Hände waschen. Rasch das noch heiße Zwetschgenmus mit einer Kelle in die ausgekochten Einweckgläser füllen. Dabei macht ein in das Glas gestellter Trichter (ebenfalls abgekocht) das Säubern des Glasrandes überflüssig. Die Weckgläser werden verschlossen und für fünf Minuten auf den Kopf gestellt.

Fein gemacht! denke ich. Über der Küchenarbeit ist es später Nachmittag geworden. Im Supermarkt hätte ich Apfelkompott und Pflaumenmus fertig für wenig Geld bekommen. Aber was ist schnöde Gekauftes gegen Selbstgemachtes? Ich will keine mit Glukosesirup gestreckte homogene Masse, sondern die Freude der bestandenen Aufgabe. Das Ursprüngliche.

Das Apfelkompott vom Vormittag schmeckt ganz vorzüglich. Für morgen sind Freunde eingeladen. Die steuern Kuchen bei. Das wird ein Schmaus.

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