© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Deutschlands Kinder
Ganztagsschule mit Hotel
Rolf Dressler

Nun also zeigt sich auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) alarmiert. Aber schon seit Jahrzehnten doktern ganze Armeen von Reformideologen im Dauer-Lebendversuch an Deutschlands Schulkindern herum. Zum x-ten Mal warnten jetzt Experten – ja, wen genau eigentlich? – vor einem katastrophalen Rechtschreibnotstand, der doch längst eingetreten ist.

Und wieder wird nur stumpf nach noch mehr Geld und besser ausgebildeten zusätzlichen Lehrkräften gerufen, anstatt endlich klipp und klar die wahren Ursachen des Endlosdesasters zu benennen: aktuell das Versagen der irrwitzigen Methode des „Lesen durch Schreiben“, des Schreibens wie gesprochen; das hunderttausendfache Versündigen vor allem an Zuwandererkindern, deren Eltern nichts davon wissen wollen, daß nur derjenige das Denken und die Kultur der Einheimischen verstehen und achten lernen kann, der sich deren Sprache zu bedienen vermag.

Auch jetzt wird natürlich wieder verbindlich-unverbindlich das Rundum-„Recht auf Bildung“ eingefordert. Wie sich in der Gesellschaft denn überhaupt der (irrige) Eindruck verfestigt hat, daß im Grunde jedermann praktisch jedes Recht auf alles zustehe. So wurde die Urteilsfindung des Bundesverfassungsgerichtes verfälschend zu einem gespenstisch anmutenden „Recht auf Abtreibung“ verbogen.

Was freilich kaum mehr verwundern kann in einem Zeitgeistdunst, in welchem die Wahrung der Würde weder des sterbenden noch eben des ungeborenen Menschen noch uneingeschränkt außer jeglicher Diskussion steht. Es ist in Ehren zu halten, daß große diakonische Werke wie etwa die Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld-Bethel sogar auf Großplakatwänden bekunden, daß menschliches Leben „bis zuletzt“ (und mithin auch von Anfang an) unanstastbar sei und bleiben müsse.

Doch wie paßt dazu das vermeintlich verbriefte „Recht auf Abtreibung“? Festgeschrieben hat der allseits treusorgende Vater Staat zudem das „Recht auf einen Kitaplatz“. Vereinzelt, aber immerhin wird sogar schon eine 24-Stunden-rund-um-die-Uhr-Aufbewahrung für die Altersgruppe „null bis drei“, wie sie tatsächlich heißt, angeboten.

Womöglich, wer weiß, rückt da ja auch noch eine andere verheißungsvolle sozial-marktwirtschaftliche Geschäftsidee ins Blickfeld: die Ganztagsschule mit angeschlossenem Schülerhotel.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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