© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Jobwunder in der Staatskanzlei
Niedersachsen: Die Personalpolitik von Ministerpräsident Stephan Weil belastet die rot-grüne Landesregierung
Christian Vollradt

Die gute Nachricht zuerst: Niedersachsens rot-grüne Landesregierung sorgt für ein kleines Job-Wunder. Nun die schlechte: Neugeschaffene Arbeitsplätze gibt es vorerst nur im Regierungsapparat – und das ganze kostet eine Menge Steuergeld.

So wird die Staatskanzlei in Hannover um 63 neue Stellen erweitert, wobei knapp die Hälfte mit Mitarbeitern aus anderen Ministerien besetzt wird, 32 Posten jedoch neu entstehen. Allein die Leitungsebene dort hat sich erheblich vergrößert: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stehen künftig vier Staatssekretäre (Grundgehalt jeweils 9.584 Euro monatlich) zur Seite (zwei männlich, zwei weiblich), außerdem sechs Mitarbeiter im Rang eines Abteilungsleiters (8.254 Euro). Sein Vorgänger im Amt, David McAllister (CDU), mußte sich dagegen mit zwei Staatssekretären (beide weiblich) und fünf Abteilungsleitern begnügen.

Laut Stellen- und Haushaltsplan sollen in der Staatskanzlei ab Januar 2014 außerdem vier sogenannte Landesbeauftragte für die Regionen Lüneburg, Hildesheim, Braunschweig und Oldenburg zuständig sein. Auch jedem von ihnen soll die gleiche Besoldung wie einem Abteilungsleiter zustehen, komme doch „ein schwerer Job“ auf sie zu, ist man in der Staatskanzlei überzeugt. Die Idee, solche Landesbeauftragten zu schaffen, stammt vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich. Weil verspricht sich davon, daß in der jeweiligen Region die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben wird.

Kritikern drängt sich jedoch eher der Verdacht auf, die Sozialdemokraten wollten in erster Linie Versorgungsposten für altgediente Genossen einrichten und dafür – durch die Hintertür – wieder die Bezirksregierungen etablieren, die unter schwarz-gelber Herrschaft abgeschafft worden waren. Von „Bezirksregierung light“ spricht darum die Opposition. Reinhold Hilbers, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, geißelte bereits fehlendes „Fingerspitzengefühl und Maß“ der Landesregierung. Die selbst geht in ihren Planungen von Mehrkosten in Höhe von rund zwei Millionen Euro jährlich aus. Denn die personelle Aufblähung zieht offenbar auch eine räumliche Vergrößerung nach sich – es müssen zusätzliche Büroflächen angemietet werden.

Unterdessen beschäftigt diese üppige Ausstattung mit zusätzlichen hohen Beamten bereits den Landesrechnungshof. Der prüft, ob dies alles zur Erfüllung der Aufgaben des Landes erforderlich ist und die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung („Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“) eingehalten werden. Vor allem mit den neuen Landesbeauftragten hadern die Prüfer: „Was sollen die eigentlich machen?“ fragte Rechnungshof-Senator Lutz Bardelle im Weser-Kurier. Darüber wollen kommende Woche Vertreter der Staatskanzlei den Rechnungshof unterrichten, einen Monat später soll eine offizielle Antwort der Regierung erfolgen.

Nicht zum erstenmal muß sich allerdings die SPD den Vorwurf gefallen lassen, sie betreibe Personalpolitik nach Parteibuch. Bereits sechs Wochen nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün schaßte Innenminister Boris Pistorius (SPD) drei Polizeipräsidenten.

Auf den CDU-Mann Hans-Jürgen Thurau in Oldenburg folgte der Sozialdemokrat Johann Kühme, in Osnabrück wurde die parteilose Heike Fischer mit gerade einmal 50 Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ihren Posten bekam Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der SPD-nahen Gewerkschaft der Polizei (GdP) und SPD-Mitglied. Rechtlich zu beanstanden war daran nichts, denn Polizeipräsidenten können als politische Beamte ohne Angabe von Gründen abberufen werden. Einen Hautgout hatte das Ganze dennoch.

Eine erneute Debatte über parteipolitischen Filz käme für Ministerpräsident Weil äußerst ungelegen. Der Regierungschef muß in Kürze einem Untersuchungsausschuß des Landtags Rede und Antwort stehen, der sich mit der Dienstwagen-Affäre um den ehemaligen Landwirtschafts-Staatssekretär Udo Paschedag (Grüne) befassen wird (JF 37/13). CDU und FDP bezweifeln, Weil habe im Landtag den Ablauf der Geschehnisse korrekt dargestellt. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob und wann der Ministerpräsident vom Wunsch Paschedags nach einem (eigentlich unzulässigen) größeren Dienstwagen erfahren habe. Außerdem soll geklärt werden, warum dem inzwischen rausgeworfenen Staatssekretär eine höhere Besoldung zugesprochen worden war.

Brisant an der ganzen Geschichte: Weil kann nicht ohne weiteres die Verantwortung in der ganzen Affäre auf seinen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) abwälzen und ihn womöglich fallenlassen. Denn Meyer ist Landtagsmitglied – und im Parlament hat Rot-Grün nur eine Stimme Mehrheit.

Foto: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) im Landtag: „Was sollen die eigentlich machen?“

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