© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schlecht beraten
Paul Rosen

Wenn es die Unternehmensberater nicht geben würde, wäre ich nicht hier“, spottete einst der Konkursverwalter eines großen deutschen Unternehmens. In der Wirtschaft hat es sich herumgesprochen, daß Unternehmensberater zumeist nur Alltagsweisheiten und Unbrauchbares auf Lager haben. So zeigten sie einem auf den Bau von Unikaten spezialisierten Maschinenbauunternehmen Möglichkeiten der Kosten-einsparung durch Serienfertigung auf.

Die Beraterbranche hat längst auch Vater Staat als gut zu melkende Kuh entdeckt. Ministerien haben Milliarden-Etats, und viele wissen nicht, wie sie das Geld unters Volk bringen sollen. Also werden Studien in Auftrag gegeben. Dabei wird viel Unsinn produziert: Unvergessen ist die von einem Berater für das Verteidigungsministerium erstellte Studie zur Energieeinsparung, die mehrere 100.000 Euro gekostet hatte. Darin war allen Ernstes zu lesen, es könne Strom gespart werden, wenn in nichtgenutzten Räumen das Licht ausgemacht werde. Und beim Einkauf wurde empfohlen, Bleistifte in Großpackungen zu kaufen, weil dies billiger sei als der Einzelbezug.

In den vergangenen vier Jahren wurden von Bundesministerien 969 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben, geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. Allein das Bildungsministerium gab für Gutachten, Workshops und Broschüren seit 2009 über 464 Millionen Euro aus, davon allein 2013, dem Jahr der Bundestagswahl, 260 Millionen. Auch das Wirtschaftsministerium haute das Geld nur so raus. 115 Millionen Euro wurden für externe Berater ausgegeben.

Beide Ministerien haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben nur wenige politische Kompetenzen. Das Wirtschaftsministerium ist, streng genommen, nur noch für Statistiken zuständig, denn die letzten Finanzzuständigkeiten sind schon zu rot-grünen Zeiten erst ins Finanzministerium und dann nach Brüssel verschoben worden. Und wenn es in Deutschland um Schulen geht, ist das Bundesbildungsministerium mit Sicherheit nicht zuständig. Da jedoch Bildung ein Megathema in der deutschen Politik ist und alle mehr Bildung wollen, wird permanent der Etat des Bildungsministeriums aufgestockt. Die Folge: Im Bildungsministerium weiß man nicht mehr, wohin mit dem ganzen Geld. Und da am Jahresende nichts übrigbleiben darf, wird das Geld eben für Studien und Gutachten verplempert, die nach Fertigstellung mit großem Tamtam übergeben werden, um anschließend ungelesen in Schubladen zu verschwinden.

Umgekehrt haben Berater auch negativen Einfluß, der weit über Steuergeldverschwendung hinausgeht. Im Finanzministerium arbeiteten sie etwa an Gesetzentwürfen mit. Und auch in anderen Häusern sind sie mit „Formulierungshilfen“ zur Stelle. Die Berater, oft internationale Kanzleien von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern, haben zahlungskräftige Mandanten, die nichts dagegen haben, wenn ihre Arbeit durch „Formulierungshilfen“ erleichtert wird. Eine Hand wäscht schließlich die andere.

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