© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Zeitschriftenkritik: Exit!
Kritische Kritik ohne Selbstkritik
Jens Knorr

Der Endkampf um Anteile an der wegschmelzenden absoluten Mehrwertmasse ist in vollem Gange. Mit immer heilloseren Kunststückchen soll das Kapital von seinem „prozessierenden Widerspruch“, also von sich selbst, erlöst und die Entwertung des Werts, wenn nicht umgekehrt, so doch irgendwie aufgehalten werden. Stoff für die Wertkritik! Die Autoren des elften Hefts Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft treiben weniger Wert- und Wertabspaltungskritik voran als vielmehr deren Feinde zu Scharen. Schlechter Stil macht die Lektüre über weite Strecken zur Tortur, der sich der konservative Leser dennoch aussetzen sollte.

In ihrem Aufsatz zu „Feminismus – Kapitalismus – Ökonomie – Krise“ bringt Roswitha Scholz Einwände gegen diverse Ansätze feministischer Ökonomiekritik heute vor, die ungebetene Einsichten hinsichtlich der Kumpanei von Neoliberalismus und Gender Mainstreaming eröffnen. Aus wertabspaltungskritischer Sicht nämlich dienen Integration der Frau in den Arbeitsprozeß und „Hausfrauisierung“ des Mannes, marktwirtschaftliche Organisation von „Care“-Tätigkeiten, Übernahme von Frauen in Leitungstätigkeiten zu einem Zeitpunkt, da diese Tätigkeiten selbst einer Entwertung unterliegen und den Frauen nur wieder der Part von „Trümmerfrauen“ zu übernehmen bleibt, nicht etwa dem Umbau von Staat und Gesellschaft nach feministischen Maßgaben, sondern vielmehr der postfordistischen Krisenverwaltung. Demzufolge kommen die Schröders und von der Leyens lediglich ihren Aufgaben als Mitglieder des „geschäftsführenden Ausschusses des Kapitals“ nach.

Der zweite und letzte Teil des Fragments „Krise und Kritik“ aus dem Nachlaß von Robert Kurz stößt sich an der bereits 1975 von dem Soziologen Wolfgang Engler ausgemachten Hürde, die weder rechte noch linke Ökonomiekritik bisher zu nehmen imstande waren, daß nämlich einerseits die abstrakte Arbeit offenkundig obsolet geworden ist, andererseits alle gesellschaftlichen Akteure die Fetischformen noch tiefer verinnerlicht haben als zu Marxens Zeiten.

Wirft Kurz seinen Gegnern verkürzte Kritik hinsichtlich Marxscher Theorie vor, so exekutiert sie Daniel Späth nunmehr an Hegels frühen Religionsschriften, in denen er „Antizionismus“ ausgemacht haben will. Insofern gilt ihm „die Hegelsche Philosophie (…) als Unkraut, das es mit Stumpf und Stil auszureißen gilt“. Ob ihm gelingen wird, „den kategorialen Bruch, der sich zwischen Hegel und der Aufklärungsphilosophie einer- und dem kritischen Marx andererseits auftut, herauszuarbeiten, um so den Begriff der Kritik einer präziseren Bestimmung zuzuführen“, ohne die Hegelsche Dialektik zu gebrauchen, sollen wir im nächsten Heft erfahren. Weitere Blüte aus selbigem „Sumpf eines öden Eklektizismus“ (Engels) ist ein akademisch vertratschter Nachschlag zur Sarrazin-Debatte, „Die doppelte Natur des Rassismus“, des Hamburger Autors unter dem albernen Pseudonym „JustIn Monday“.

Kontakt: Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft, herausgegeben vom Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V., Horlemann Verlag, Berlin, Einzelpreise der Hefte zwischen 9 und 13 Euro

www.exit-online.org

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