© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

CD: 11 Kurzopern
Anmutige Perlenkette
Christian Stülpner

Die draufgängerische Ouvertüre beschwört das innere Bild eines dampfenden Morgens mit Hörnerklang und Ritt ins Ungewisse. Der tragikomische Einakter „Der vierjährige Posten“ von Franz Schubert nach einem Libretto von Theodor Körner ist nur eine von elf Perlen, welche zu der Edition „11 Kurzopern“ gereiht wurde. Wen vierstündige Opernkaliber verschrecken, der kann diese anmutigen kleinen Musikhörspiele ohne Bedrängnis auf sich wirken lassen. Vielleicht wird er auf diese Weise hineingezogen in die große Welt der musikalisch-dramatischen Metaphorik.

Jeder fängt einmal an. Der jüngste Komponist dieser Aufnahmen war noch nicht einmal ein Teenager. Zwölf Jahre zählte Mozart, als er das deutsche Singspiel „Bastien und Bastienne“ nach Rousseaus „Der Dorfwahrsager“ komponierte.

Bei den Singspielen geben die Sprecher-Rollen ein klares Geleit durch die Handlung. Auch der Gesang ist kristallklar ausgemittelt, die Tonaufzeichnung ist hier selbst zu einem Kunststück geworden. Es handelt sich um eine Nachverwertung von Höhepunkten der Schallplatten-Einspielungen der siebziger Jahre. Augenfälligtes Manko: Der Box fehlt ein Beiheft mit näheren Auskünften, etwa zur Entstehungsgeschichte und mit Textbüchern.

Die Aufnahmen entstanden genau auf jenem historischen Grat, wo die audiophile Raffinesse kurz davorstand in sterile Technizität abzugleiten. Die Schallplatte war in ihren besten Jahren, bevor dieses Medium aus rein kaufmännischen Interessen von der Musikindustrie durch die Kompakt-Scheibe abgelöst wurde. Zehn der vorliegenden Aufnahmen wurden von Münchner Orchestern (Bayerisches Staatsorchester, Staatsoper München oder Münchner Rundfunkorchester) unter Schoener, Suitner, Wallberg und Suitner und die elfte von der Philharmonia Hungarica unter Janos Kulka eingespielt.

Die Stücke von Mozart, Gluck, Schubert, Lortzing, Weber, Mendelssohn und d’Albert entfalten in kleiner Form eine Enzyklopädie des Möglichen der Opernbühne. Von den orientalischen Weiberlisten des Gluckschen „Der betrogene Kadi“ und des Weberschen „Abu Hassan“ über die Miniaturen, in denen das Theaterleben selbst die Hauptrolle spielt (Mozarts „Der Schauspieldirektor“ und „Die Opernprobe“ von Albert Lortzing), bis zu dem anmutigen und berührenden Wiederverliebungs-Drama eines reifen Ehepaars in Eugen d’Alberts „Die Abreise“. Der sängerische Liebreiz der großen Stimmen, darunter Anneliese Rothenberger, Dietrich Fischer-Dieskau, Edda Moser und Hermann Prey, beleben die harmlosen Kurzdramen.

Unerwartet friedlich, fast pazifistisch endet das Libretto Theodor Körners. Der Soldat Duval wurde auf seinem Posten nicht abgelöst und blieb zurück. Er heiratete die Tochter des Dorfrichters und tauschte das Schwert mit dem Pflug. Als nach vier Jahren die Truppe wieder durchzieht, entgeht er der schmachvollen Entdeckung, indem er zurückgeht auf seinen Posten und nach der Entdeckung auf seiner getreuen Pflichterfüllung unterdessen beharrt. Als die Füsilierung schon beschlossen ist, erscheint der General ex Machina, läßt ihn ablösen, arretieren, verhört, begnadigt und verabschiedet ihn sodann in den Ehestand. Doch erst nachdem der Vorgesetzte die Frage bejaht: „Hat er sonst sich brav geschlagen?“

11 Kurzopern (Box-Set) EMI Classics

www.emiclassics.de
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