© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Zukunftsträume „europäischer Ethnologen“: Nationale Wir-Entwürfe dekonstruieren
In der deutschen Zwangsjacke
(wm)

Lange hat die Volkskunde um die akademische Anerkennung kämpfen müssen. Lehrstühle und Institute wurden den als wissenschaftlich zweitklassig geltenden „Heimat- und Brauchtumsforschern“ erst zu Weimarer Zeiten eingerichtet, und auch ab 1933 fiel die im Rückblick gern unterstellte Konjunktur bescheiden aus, da dem Fach im zentralistischen NS-Staat der Ruch des Partikularismus anhaftete. Trotzdem galt es nach 1945 als derart „belastet“, daß nur noch ein Etikettenwechsel von der Volkskunde zur „Europäischen Ethnologie“ half. Ausgenommen blieb dabei nur das Zentralorgan der Disziplin, das auch 2013 den altvertrauten Namen Zeitschrift für Volkskunde trägt. Im ersten Heft des 109. Jahrgangs zeigt sich Wolfgang Kaschuba (HU Berlin) mit den Resultaten der Neuausrichtung gleichwohl unzufrieden. Gut sei zwar, daß man „Ethnologen“ jetzt öffentlich als Experten für „interkulturelle Verständigung“ wahrnehme. Leider beteiligten sie sich aber immer noch zu eifrig an der Reproduktion „nationaler Wir-Entwürfe“ und steckten in der „Zwangsjacke der epistemischen Ordnung des Nationalen“. Stattdessen sollten Ethnologen mittels „weiterer Dekonstruktion nationalistischer Weltbilder“ wahre „deutsche Identitätspolitik“ treiben, die schaffen könne, was sie selbst „immer gewünscht“ hätten: „eine Welt aus nicht mehr ‘diskriminierungsfähigen Ethnien’“.

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