© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/13 / 20. September 2013

Umwelt
Streit ums Wachstum
Heiko Urbanzyk

Vor drei Jahren verkündeten Claus Leggewie und Harald Welzer „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“. In ihrem Erfolgsbuch geißelten die 68er den „Wachstumsfetischismus“. Doch auch der konservative Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel hinterfragt mit seinem „Denkwerk Zukunft“ aus marktwirtschaftlicher Sicht wachstumsfundierte Glücksversprechen. „Ohne Wachstum ist alles nichts“, kontert der Magdeburger Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Paqué (JF 50/12). In der Zeitschrift Internationale Politik (4/13) moniert er ein fehlendes Verständnis des Wachstumsbegriffs. Moderne Volkswirtschaften wüchsen nicht quantitativ, sondern qualitativ. Der Wettbewerb sorge für vielfältigere und umweltfreundlichere Güter, doziert der frühere FDP-Wirtschaftsminister. Daß der Staat dabei oft mit Gesetzen und Steuern nachhilft, steht auf einem anderen Blatt.

Eine Wirtschaft ohne Wachstum sei eine Wirtschaft ohne marktfähige Ideen – fatal für ein Land mit Bevölkerungsstagnation. Paqué warnt: Man könne den Menschen ökologische Produkte und Verzicht nur durch Erziehung oder dauerhafte Subventionierung gegen die Marktkräfte näherbringen. Wenn „harte Erziehung“ und „harte Lenkung“ die Konsumgewohnheiten jedoch nicht änderten, komme es zu den Kennzeichen typischer Kommandowirtschaften: unzufriedene Bürger, ineffiziente staatliche Lenkung. Viel schlimmer sei jedoch, wenn Deutschland als einziges Land den Weg der Schrumpfung beschreite. Dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit folge absolute Verarmung. Angesichts der Verzichtsprediger warnt Paqué davor, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationskraft zu scharf zu trennen: „Immerhin werden weite Bereiche von Kunst, Kultur und Sozialstaat aus den marktwirtschaftlichen Erträgen des Kapitalismus finanziert.“ Er bezweifelt, daß die Konzentration auf „grüne Technologien“ die Produktivität unserer Marktwirtschaft stark steigere: „Dafür gibt es keine empirischen Belege.“

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