© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Ägypten nach dem Verbot der Muslimbruderschaft
Verrechnet
Marc Zöllner

Käme es in Ägypten derzeit zu Wahlen, stünde der Sieger bereits fest: das Militär. Mit dem Verbot der Muslimbruderschaft konnten die Generäle am Nil nicht nur ihren letzten Gegner im Ringen um gesellschaftspolitischen Einfluß aus dem Rennen werfen. Die Militärführung demonstrierte darüber hinaus eindrucksvoll, daß sie seit der Revolution von 2011 die ganze Zeit über die Fäden in der Hand gehalten hat; die der Wählerschaft, die der Verfassung – und das alles jenseits der Demokratie. Einen gewaltsamen Umsturz, der ihn die Macht kosten könnte, braucht der neue starke Mann am Nil, Abdel-Fatah al Sisi, nicht zu fürchten. Keine politische Kraft verfügt dafür über die notwendigen Mittel. Dennoch könnte sich die Militärführung verrechnet haben.

Es mag paradox erscheinen, aber die Gewinner des Verbots der Moslembruderschaft sind vor allem die Muslimbrüder. Sie können sich nun glaubhaft als einzige ernstzunehmende Opposition gegen die Thronfolger Mubaraks inszenieren. Gleichzeitig sind sie die einzigen, die die von der Demokratie enttäuschten Islamisten bändigen können. Ebenso könnten sie mit anhaltenden Protesten die Entwicklung Ägyptens über Jahre hinweg ausbremsen und schlußendlich ihre juristische Rehabilitierung erzwingen. Eines steht zumindest fest: Für das Militär mag die Revolution beendet sein. Für die Muslimbrüder hat sie gerade erst begonnen.

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